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Was sind deliktische Forderungen?

Eine Einführung zur Rechtsgrundlage des Ausschlusses von der Restschuldbefreiung

Geht ein Schuldner in Insolvenz, erlangt er bei Beachtung aller Obliegenheiten die sog. Restschuldbefreiung, d.h. er ist nach Abschluss der Insolvenz schuldenfrei. Dies gilt für alle Schulden, die der Schuldner vor der Eröffnung der Insolvenz hatte.

Ausnahmen: § 290 und § 302 InsO

Ausnahmen hiervon gibt es. Die wichtigste und bekannteste bezieht sich auf § 290 (bis zur Wohlverhaltenphase) und § 295 Insolvenzordnung (InsO) (in der Wohlverhaltensphase), die abschließend aufzählen, wann die Restschuldbefreiung versagt werden kann. Liegen die Voraussetzungen nach § 290/ § 295 InsO vor, erhält der Schuldner überhaupt keine Restschuldbefreiung. Die zweite (in der der Praxis beinahe “bedeutendere”) Ausnahme besteht für die sog. deliktischen Forderungen. Diese Regelung – § 302 InsO – ist Gegenstand dieses Artikels.

Deliktische Forderungen gem. § 302 InsO

“Deliktische Forderungen” sind Forderungen, die sich auf einen Schaden beziehen, der durch eine widerrechtliche Handlung entstanden ist. Beispiele hierfür sind Schäden, die dem Gläubiger durch einen Betrug oder eine Körperverletzung entstanden sind. § 302 InsO regelt diesbezüglich, dass diese Forderungen von der Restschuldbefreiung ausgenommen werden können.

Der Unterschied zu § 290 InsO besteht kurz gesagt darin: § 290 InsO führt zum Ausschluss der Restschuldbefreiung [insgesamt], § 302 Inso zum Ausschluss [bestimmter Forderungen] von der Restschuldbefreiung.

In § 302 InsO heißt es hierzu (Auszug):

Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt:

1. Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, sofern der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 angemeldet hatte…

2. Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners […]

Diese Regelung umfasst damit zwei wichtige und streng voneinander zu trennende Anspruchsarten:

  • Zivilrechtliche Ansprüche einer geschädigten Person (z.B. wegen Körperverletzung oder Betrug) und
  • Strafen/ Bußgelder, die wegen der Verletzung von Strafrechtsnormen (z.B. der strafrechtlichen Verurteilung wegen Körperverletzung) und/oder wegen Ordnungswidrigkeiten erlassen wurden.

Meldet der Gläubiger eine deliktische Forderung als solche erfolgreich im Insolvenzverfahren an, ergibt sich aus § 302 Ziff. 1 InsO, dass eine Restschuldbefreiung bzgl. dieser Forderungen nicht stattfindet. Zu beachten ist auch: Eine Geldstrafe aus einem Strafverfahren (§ 302 Ziff. 2 InsO) wird ersatzweise in Form von Haftstrafe vollstreckt, spielt also in aller Regel bei der Frage der Restschuldbefreiung keine Rolle: Zahlt der Schuldner diese Strafe nicht, wird die Haft angeordnet (= die Strafe in Form von Haft verbüßt).

Zusammenfassung: Wenn ein Schuldner wegen eines Delikts (z.B. Körperverletzung, Betrug) verurteilt wurde und aufgrund dieser Verurteilung eine Strafe zahlen muss, ist mit Zahlung der Strafe nur die strafrechtliche Seite betroffen, denn deren Zweck besteht allein darin, die Strafzwecke zu erfüllen. Das kann man leicht daran sehen, dass angeordnete Geldstrafen nicht der geschädigten Person zugute kommen. Die zivilrechtlichen Ansprüche einer geschädigten Person, die aufgrund des durch sie erlittenen Schadens entstanden sind, bestehen unabhängig von der strafrechtlichen Verurteilung. Diese Ansprüche bestehen also auch dann, wenn eine strafrechtliche Verfolgung nicht stattgefunden hat. Straf- und Bußgelder sind in Ziff. 2 des § 302 InsO geregelt, die zivilrechtlichen Ansprüche indes in Ziff. 1.

Deliktische Zivilrechtsanspürche: Nur Vorsatz relevant

Der Hintergrund des Ausschlusses bestimmter Forderungen von der Restschuldbefreiung durch § 302 InsO ist eine reine Gerechtigkeitsüberlegung: Wer einen anderen vorsätzlich geschädigt hat, soll sich nicht durch eine Insolvenz von den ggf. enormen Schadensersatzansprüchen der geschädigten Person befreien können. Anders als normale Schulden, die regelmäßig durch rechtsgeschäftliches Handeln (Vertrag) entstehen und bei der beide Parteien immer auch das Risiko eingehen (müssen), die vertragliche Gegenleistung nicht zu erhalten, entstehen deliktische Forderungen durch die Schädigung einer Person. Praktisch relevant ist dies oft bei Tatbeständen wie Betrug, Unterschlagung, aber auch Körperverletzung. Systematisch knüpft § 302 InsO an den Zentralparagraphen zur Schadensersatzpflicht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), § 823 BGB, an. Dieser lautet:

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Im Vergleich von § 302 InsO und § 823 BGB zeigt sich aber schon ein sehr wichtiger Unterschied: Während zur Auslösung der Schadensersatzpflicht nach § 823 BGB bereits eine fahrlässige Handlung genügt (vgl. hierzu § 276 Abs. 2 BGB), umfasst § 302 InsO nur Vorsatz. In § 302 Ziff. 1 InsO heißt es nämlich:

[…] Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung […]

Dies bedeutet, dass zivilrechtliche Schadensersatzansprüche dann immer von der Restschuldbefreiung in der Insolvenz umfasst werden (also nicht durch § 302 InsO ausgeschlossen werden können), wenn die Schädigung nicht vorsätzlich (also lediglich fahrlässig) herbeigeführt wurde.

Die Frage, ob eine deliktische Forderung im Sinne des § 302 Ziff. 1 InsO vorliegt, spielt nicht nur bei der Planung und Durchführung einer Insolvenz eine Rolle. Auch das außergerichtliche Entschuldungsverfahren (§ 305 InsO), das die Insolvenz vermeiden kann und soll, muss die diesbzgl. Einwendungen von Gläubigern beachten. So ist es z.B. nicht möglich, eine fehlende Zustimmung zu einem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan durch das zuständige Gericht ersetzen zu lassen, wenn der betreffende Gläubiger erfolgreich vortragen kann, seine Forderung wäre eine deliktische. In der Praxis ist diese Konstellation allerdings eher selten. Auch dann, wenn sicher ist, dass eine Forderung die Voraussetzungen des § 302 Ziff. 1 InsO erfüllt, hat der Zivilrechtsgläubiger in aller Regel Interesse, recht bald Geld zu sehen. Viel häufiger ist hingegen der Fall, dass Gläubiger ihre Position durch eine Behauptung “ins Blaue” hinein verbessern wollen und ohne jegliche Nachvollziehbarkeit einfach unterstellen, es läge eine derartige Forderung vor. Lies dazu bitte auch hier.

Februar 2011
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