Selbstverpflichtung – Empfehlung der Deutschen Kreditwirtschaft zum „Girokonto für jedermann“ von 1995

Originaltext ZKA-Empfehlung mit Anmerkungen

BankDie kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände (zu dieser Zeit noch unter der Bezeichnung Zentraler Kreditausschuss – ZKA,  seit August 2011 umbenannt in Die Deutsche Kreditwirtschaft – DA) haben im Jahre 1995 die nachfolgende Empfehlung zum „Girokonto für jedermann“ erarbeitet. Enthalten war bzw. ist hier das “Bekenntnis”, jedermann ein Konto einzuräumen (deshalb auch “Selbstverpflichtung” bzw. “Jedermannkonto”). Im Kern bringt dieser Text zum Ausdruck, dass Banken niemanden abweisen bzw. ein Konto versagen wollen, der über keinen Kontozugang verfügt (sofern nicht einer der in der Empfehlung selbst benannten Unzumutbarkeitsfälle vorliegt).

1. Text

“Alle Kreditinstitute, die Girokonten für alle Bevölkerungsgruppen führen, halten für jede/n Bürgerin/Bürger in ihrem jeweiligen Geschäftsgebiet auf Wunsch ein Girokonto bereit. Der Kunde erhält dadurch die Möglichkeit zur Entgegennahme von Gutschriften, zu Barein- und -auszahlungen und zur Teilnahme am Überweisungsverkehr. Überziehungen braucht das Kreditinstitut nicht zuzulassen. Jedem Institut ist es freigestellt, darüber hinausgehende Bankdienstleistungen anzubieten.

Die Bereitschaft zur Kontoführung ist grundsätzlich gegeben, unabhängig von Art und Höhe der Einkünfte, z. B. Arbeitslosengeld, Sozialhilfe. Eintragungen bei der Schufa, die auf schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Kunden hindeuten, sind allein kein Grund, die Führung eines Girokontos zu verweigern.

Das Kreditinstitut ist nicht verpflichtet, ein Girokonto für den Antragsteller zu führen, wenn dies unzumutbar ist. In diesem Fall darf die Bank auch ein bestehendes Konto kündigen. Unzumutbar ist die Eröffnung oder Fortführung einer Kontoverbindung insbesondere, wenn

  • „„ der Kunde die Leistungen des Kreditinstitutes missbraucht, insbesondere für gesetzwidrige Transaktionen, z. B. Betrug, Geldwäsche
  • „„der Kunde Falschangaben macht, die für das Vertragsverhältnis wesentlich sind
  • „„der Kunde Mitarbeiter oder Kunden grob belästigt oder gefährdet
  • „„ die bezweckte Nutzung des Kontos zur Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr nicht gegeben ist, weil z. B. das Konto durch Handlungen vollstreckender Gläubiger blockiert ist oder ein Jahr lang umsatzlos geführt wird
  • „„nicht sichergestellt ist, dass das Institut die für die Kontoführung und -nutzung vereinbarten üblichen Entgelte erhält
  • „„der Kunde auch im Übrigen die Vereinbarungen nicht einhält.”

2. Anmerkungen

Man kann sicher nicht sagen, dass diese Empfehlung/ “Selbstverpflichtung” nichts bewirkt hätte. Denn es ist nicht ausgemacht, dass es nicht auch Fälle gibt bzw. gab, wo diese Empfehlung tragend für die Praxis einer  Bank gewesen ist. Aber das Entscheidende ist: In den Fällen, wo Kreditinstitute sich von Kunden trennen oder  die Kontoeröffnung verhindern wollten, stand mit dieser “Selbstverpflichtung” keinerlei rechtlicher Hinderungsgrund im Wege. Banken konnten sich stets darauf berufen, dass es nur eine unverbindliche Empfehlung sei. In der Praxis erwies sich daher die Selbstverpflichtung immer genau dann als stumpfes Schwert, wenn sie der Kunde benötigte.

Aus den Drucksachen des Bundestages (BT-Drucks. 14/3611[1] und BT-Drucks. 15/2500 [2]) ergibt sich, dass die Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses vor dem Hintergrund abgegeben worden ist, dass anderenfalls ein gesetzlicher Kontrahierungszwang geschaffen worden wäre. Dies sollte durch eine Selbstverpflichtung der Banken verhindert werden. Der Gesetzgeber hielt diese auch späterhin für ausreichend [3], obwohl schnell sichtbar wurde, dass die Selbstregulierung der Banken nicht funktionierte. Anfängliche Versuche, diese “Selbstverpflichtung” mit Hilfe der Gerichte durchsetzbar zu machen, scheiterten [4], so dass es für Betroffene keine Rechtsmittel gegen Banken gab.

Erst  mit der Einführung des Basiskontos 2016 wurde erstmalig ein allgemein einklagbarer Anspruch auf ein Konto geschaffen. Leider zeigt dies, dass es ohne Zwang und nur im Vertrauen auf die Kundenorientierung der Banken keine Problemlösung gibt. Ohne eine gesetzliche Regelung war das Problem daher nicht zu bewältigen. Es zeigt eine gewisse Kontinuität, dass selbst die Einführung des Basiskontos im Jahre 2016 eine Vorgabe des europäischen Gesetzgebers war. Es ist zu vermuten, dass sich der nationale Gesetzgeber auch weiterhin mit dieser durch die Selbstverpflichtung der Banken nur kaschierten Rechtlosigkeit zufriedengegeben hätte.

 

Fußnoten:
[1] “Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages hatte die Bundesregierung bereits im September 1995 um einen Bericht zu den Auswirkungen der ZKA-Empfehlung gebeten. Die Bundesregierung ist diesem Auftrag im September 1996 nachgekommen. Der Bericht kam zu dem Ergebnis, dass es auf der Grundlage der ZKA-Empfehlung gelungen sei, breiten Bevölkerungsschichten die Möglichkeit zu verschaffen, ein Girokonto zu eröffnen. Der eingeschlagene Weg, das Problem über eine Empfehlung zu lösen, habe somit zum Ziel geführt.” Bundestags-Drucksache 14/3611 vom 09.06.2000, S. 2, sub II. 2. [ZURÜCK]
[2] “Ein im Jahre 1995 eingebrachter Gesetzesentwurf, mit dem Kreditinstitute zur Eröffnung von Girokonten verpflichtet werden sollten, wurde vom Deutschen Bundestag nicht angenommen. Stattdessen sollte der Zugang zum bargeldlosen Zahlungsverkehr für sämtliche Bevölkerungsschichten durch eine entsprechende Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft sichergestellt werden.” Bundestags-Drucksache 15/2500 vom 11.02.2004, S. 6. [ZURÜCK]
[3] Ebenda, S. 7: “Die Schaffung einer bundesgesetzlichen Regelung würde die Entscheidung von Streitfällen auf die Gerichte verlagern. Das gerichtliche Verfahren ist grundsätzlich kostenpflichtig und führt in vielen Fällen nicht zu einer zeitnahen Streitentscheidung. Eine zeitnahe Entscheidung durch die Schiedsstellen der Banken würde den Interessen der Betroffenen besser gerecht.” [ZURÜCK]
[4] Prägend wurde hierfür das Urteil des LG Bremen, das die gerichtliche Erzwingbarkeit der ZKA-Verpflichtung annahm, vgl. LG Bremen, Urteil v. 16.06.2005, 2 O 408/05. Dieses Urteil wurde vom OLG Bremen aufgehoben, vgl. OLG Bremen Urteil v. 22.12.2005, 2 U 67/05. Die Aufhebung des Urteils erfolgte nach der bestehenden Rechtslage zwar ordnungsgemäß, es offenbarten sich hierdurch aber auch die grundlegenden Mängel der ZKA-Empfehlung. [ZURÜCK]

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