EU-Restschuldbefreiung: 3 Jahre für alle!

Schneller in die Freiheit: Bedingungslose Verkürzung der Restschuldbefreiung geplant

 Februar 2020  Der Referentenentwurf zur Umsetzung der europäischen Richtlinie liegt nunmehr vor, wir werden sicher sehr bald darauf noch im einzelnen zu sprechen kommen. Die entscheidenden Änderungspunkte wurden jetzt durch das Justizministerium bekannt gegeben.

Zwischenlösung bis zur Umsetzung: Stufenlösung kommt

 

 

Tatsächlich ist eine Stufenlösung geplant (wir hatten dies schon vermutet), damit nicht erst die Insolvenzverfahren von der rechtlichen Änderung profitieren, die nach der Umsetzung der Richtlinie beantragt werden. Eine entsprechende Andeutung gab es bereits auf der Rede der Justizminister zum Deutschen Insolvenzverwalterkongress 2019 (siehe dazu unten, November 2019). In der Presseerklärung des Justizministeriums von heute heißt es:

„Um einen geordneten Übergang von der geltenden sechsjährigen zur künftigen dreijährigen Restschuldbefreiungsfrist sicherzustellen, soll die Frist für die Restschuldbefreiung allmählich und kontinuierlich verkürzt werden. Das vermeidet die Ausbildung eines Verfahrensstaus bei Schuldnerberatungsstellen, Gerichten und Verwalterbüros. Zudem werden Ungerechtigkeiten vermieden, die entstünden, wenn die Frist von heute auf morgen verkürzt werden würde. Zwar kann es auch nach der vorgeschlagenen Regelung zu Mehrbelastungen kommen. Da mit diesen aber erst im Sommer 2025 zu rechnen ist, verbleibt hinreichend Zeit, um organisatorische und personelle Vorkehrungen zur Bewältigung zu treffen.“

Neubeantragung erst nach 13 Jahren

Da auch bei dieser Gesetzesänderung die Angst sehr groß zu sein scheint, dass man dem Schuldner zu viel des Guten angedeihen könnte, hat man über ein Gegengewicht nachgedacht. Der Zeitraum, ab dem eine erneute Restschuldbefreiung beantragt werden kann, soll in Zukunft 13 Jahre und nicht wie bislang 10 Jahre betragen. Damit will man verhindern, dass ein Schuldner sich von Insolvenz zu Insolvenz hangelt und zwischendurch immer wieder neue Schulden macht. Die Angst vor dem cleveren Schuldner (eine Schimäre!), der das Insolvenzrecht missbraucht, sitzt in Deutschland besonders tief. Anders lassen sich derartige Gesetzesänderungen nicht erklären. Auf der anderen Seite ist es so: Jemand, der die Restschuldbefreiung schon mal erhalten hat, sollte fürs Leben genug gelernt haben. Insoweit ist die Änderung dieser Regelung zwar ziemlich überflüssig, aber schadet wohl nicht allzu viel. In der Erklärung heißt es hierzu:

„Die Verkürzung des Verfahrens soll nicht auch dazu führen, dass die Schuldnerin oder der Schuldner im Falle einer späteren Wiederverschuldung auch schneller zu einer zweiten Restschuldbefreiung kommen kann. Daher wird die derzeitige zehnjährige Sperrfrist auf 13 Jahre erhöht.“

Speicherungsdauer bei Auskunfteien

Als durchaus sinnvoll erweist sich hingegen der Plan, die Speicherungsdauer bei Auskunfteien zu verkürzen. Statt 3 Jahre soll es dann nur noch ein Jahr sein. Von der Eröffnung bis zur vollständigen Tilgung der Forderung bei SCHUFA und Co. würde es demnach nur noch 4 Jahre dauern. Zurzeit ist diese Dauer noch wesentlich länger. Für Schuldner, die nach 6 Jahren restschuldbefreit werden, vergehen zwischen Insolvenzeröffnung und Löschung bei der SCHUFA insgesamt 9 Jahre (6 Jahre ab Eröffnung + 3 Jahre bis Löschung). Diese Verkürzung ist überfällig. Man kann allenfalls streiten, ob überhaupt eine Speicherung über den Zeitpunkt der Restschuldbefreiung nötig ist, aber der hier avisierte Fortschritt ist gegenüber der bisherigen Regelung so viel besser, dass wir nicht zu viel auf einmal verlangen wollen. Die Presserklärung hierzu:

„Anlässlich der Richtlinienumsetzung sollen die Fristen für die Speicherung der Daten über das Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren durch Auskunfteien von drei auf ein Jahr verkürzt werden, um dem Schuldner oder der Schuldnerin nach Erteilung der Restschuldbefreiung einen neuen Start zu erleichtern.“

Für alle gleich…

Dass die geplante Verkürzung der Verfahrensdauer nicht nur unternehmerische Insolvenzen betrifft (sogenannte Regelinsolvenzen) sondern auch Verbraucherinsolvenzen, wurde durch das Justizministerium erneut hervorgehoben, ist aber der Erwähnung nicht wert, denn es ist nach einhelliger Auffassung in diesem Punkt gar nicht möglich, beide Fälle ungleich zu behandeln:

„Der Referentenentwurf setzt die Vorgaben der Richtlinie nicht nur für unternehmerisch tätige Personen um, sondern auch für Verbraucherinnen und Verbraucher.“

 November 2019  Inzwischen ist sie also da, die EU-Richtlinie, die dem deutschen Insolvenzrecht die Restschuldbefreiung nach drei Jahren bringen wird. Damit läuft nun die Frist für die Umsetzung; das Umsetzungsdatum läuft zum 17. Juli 2021 aus; die Frist kann allerdings einmalig um ein Jahr (also bis 2022) verlängert werden.

Bis dahin muss eine Umsetzung in deutsches Recht erfolgt sein und dann (spätestens) wird für Insolvenzverfahren regelmäßig gelten, dass die Restschuldbefreiung nach drei Jahren erteilt wird. Zurzeit gilt noch die Regel, dass die Restschuldbefreiung erst nach 6 Jahren erteilt wird, nach drei Jahren ist dies nur unter erschwerten Bedingungen möglich (35%-Befriedigungsquote für die Gläubiger).

 

Dass der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung sehr schnell sein wird (die Gesetzesänderungen können natürlich auch vor 2021 umgesetzt werden), kann man – nach allen Erfahrungen auf diesem Gebiet – ausschließen. Auch wird es ganz sicher keine Rückwirkung für vor diesem Zeitpunkt eröffnete Verfahren geben. Dass man das allerdings sehr renovierungsbedürftige deutsche Insolvenzrecht nicht grundlegend ändern will, zeigt schon die erste Äußerung der Bundesjustizministerin Christine Lambrecht vor dem Deutschen Insolvenzverwalterkongress 2019:

„Im Zuge der Umsetzung der europäischen Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie plane ich, die reguläre Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens von derzeit sechs auf drei Jahre zu verkürzen. Für unternehmerisch tätige Personen schreibt dies die Richtlinie ausdrücklich vor. Ich setze mich dafür ein, dass das gleiche auch für Verbraucherinnen und Verbraucher gilt. Auch weiterhin werden sich alle Schuldnerinnen und Schuldner die Restschuldbefreiung dadurch verdienen müssen, dass sie ihren Pflichten im Restschuldbefreiungsverfahren hinreichend nachkommen. Um einen abrupten Übergang von der sechsjährigen zur dreijährigen Entschuldungsfrist zu verhindern, plane ich eine Übergangsregelung, bei der die Fristen nach und nach verkürzt werden.“

Zwischenlösung bis zur Umsetzung geplant?

Die Frage stellt sich, wie die von der Justizministerin angesprochene Lösung aussehen soll, die dem Schuldner die Motivation nimmt, die Umsetzung erst abzuwarten. Wie nimmt man ihm die Lust, die Insolvenzbeantragung um zwei bis drei Jahre zu verschieben, damit er von der „3-Jahres-Insolvenz“ profitieren kann? Die Vermutung liegt nahe, dass man an ein Stufenmodell denkt, mit dem bis zur Umsetzung des Gesetzes Jahr für Jahr die Dauer bis zur Restschuldbefreiung schon gemindert wird. Ob das tatsächlich so kommt, wird man sehen. Eine andere Lösung gibt es im Prinzip nicht, um die Abwartemotivation zu beseitigen. Das nährt die Hoffnung, dass man nicht bis 2021 warten muss, um sein Verfahren in Gang zu setzen. Aber man muss zwei Dinge berücksichtigen: Zum einen handelt es sich hier nur um eine völlig unverbindliche Verlautbarung der Ministerin (schon bei der letzten „großen“ Insolvenzrechtsänderung gab es von dieser Seite jede Menge heiße Luft) und zum anderen muss man tatsächlich die Änderung erst abwarten, um davon zu profitieren. Denn auch wenn eine Stufenlösung (vielleicht schon nächstes Jahr) eingeführt werden sollte, wird auch diese nur für die Verfahren gelten, die nach deren Inkraftsetzung beantragt werden. Eine Rückwirkung in diesem Bereich hat es bisher jedenfalls noch nie gegeben.

Neue Phase der Verlautbarungen

Insgesamt darf man sich sehr an den Verlautbarungsstil vor der letzten Gesetzesänderung 2014 erinnert fühlen. Dass  sich die Ministerin einsetzen will, dass die Änderung auch für Verbraucher gelten wird (nicht nur für Unternehmer) ist wahlweise lächerlich oder sehr traurig, denn es gilt als unstrittig, dass eine derartige Differenzierung schon aus verfassungsrechtlichen Gründen gar nicht möglich ist.  Dafür muss sich keine Ministerin erst „einsetzen“.

Das zeigt leider wieder, dass es jetzt noch keinen großen Sinn macht, aus diesen Äußerungen etwas Praktisches ableiten zu wollen. Wird die Umsetzung jedenfalls so erfolgen, wie es die Ministerin hier ankündigt, dann sollen Vorkehrungen geschaffen werden, die es unattraktiv machen, auf die Gesetzesänderung im Jahr 2021 zu warten (was ja spätestens zwei Jahre vor Gesetzesänderung Sinn machen würde, also schon jetzt, 2019). Wie das funktionieren soll, werden wir sehen. Gut möglich, dass wir davon nie wieder etwas hören.  Ansonsten ist es des altbekannte Vokabular, wie es zu Leutheusser-Schnarrenberger-Zeiten auch schon gewälzt wurde.

Am besten hält man sich an die Fakten: Wer ab Umsetzung der Richtlinie (vermutlich im Juli 2021) in Insolvenz geht, wird nach drei Jahren die Restschuldbefreiung erhalten können. Es wird Ausnahmen geben, das lässt die Richtlinie ausdrücklich zu, aber die gibt es ja heute auch schon zur Genüge. Die Regel aber wird sein: Drei Jahre. Eine Rückwirkung wird es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht geben. Das zumindest kann man der Äußerung der Justizministerin entnehmen. Es wäre aber auch außergewöhnlich, wenn es anders geregelt würde, denn eine Rückwirkung zu Gunsten des Schuldners gab es im Insolvenzrecht noch nie.

Bis dahin wird es weitere Ankündigungen geben und Reden bei Insolvenzverwalterkongressen, wie schon 2011 und 2012 und… Aber es gibt einen Unterschied: Der wesentliche Inhalt des neuen Gesetzes steht durch die Richtlinie heute schon fest.

 Mai 2018  Im Jahr 2009 kündigte sich ein radikaler Umbruch im deutschen Insolvenzrecht an, denn man diskutierte darüber, die Verfahrensdauer bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung von sechs auf drei Jahre (und damit erheblich) zu verkürzen.[1] Anfänglich war dabei von besonderen Bedingungen nicht die Rede, sodass die Erwartung bestand, dass eine generelle Herabsetzung der Entschuldungszeit erfolgen würde.[2] Was letztlich dabei herauskam, konnte man spätestens 2014 sehen: Eine an utopische Bedingungen geknüpfte Verkürzungsmöglichkeit,[3]  die nicht mehr ist, als eine Ausnahmeregelung für wenige Fälle. An der Regeldauer von sechs Jahren änderte sich dadurch nichts. Nun aber gibt es einen neuen Ansatz aus dem EU-Recht. Jetzt zeichnet sich ab, dass über das Europarecht eine generelle Verkürzung auf 3 Jahre im deutschen Insolvenzrecht Einzug halten könnte.[4]

Die Basis hierfür bildet der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vom 22.11.2016,[5] mit dem ein rechtlicher Mindestrahmen[6] für die Vereinheitlichung im Insolvenzrecht geschaffen werden soll. Derartige Richtlinien appellieren nicht, sondern sie geben die Grundstandards vor, hinter die der nationale Gesetzgeber nicht mehr zurückbleiben darf. Das ist das schärfste Schwert der Harmoniserung,  und man wählte es nicht umsonst, denn alle anderen Versuche einer Durchsetzung der Standards waren zuvor gescheitert.[7]

Sollte diese Richtlinie erlassen werden, heißt das:  Deutschland ist gezwungen, diese Normen umzusetzen. In diesem Fall ist zu erwarten, dass es für alle Verfahren, für die eine Restschuldbefreiung beantragt wurde, eine Absenkung der Gesamtverfahrensdauer von sechs auf drei Jahre geben wird, ohne dass hierfür noch überobligatorische Leistungen (wie die zurzeit geltende Mindestquote von 35%) erbracht werden müssen. Die Verkürzung der Verfahrenszeit auf drei Jahre wird dann nicht mehr die bedingte Ausnahme sein, sondern die „bedingungslose“ Regel.

 

1. Vorab: Was klar sein muss

Um das Thema des Artikels richtig zu verstehen, sollte man sich über drei grundlegende Aspekte im Klaren sein:

  1. Diese Richtlinie besteht derzeit nur als Entwurf und kann noch in allen Punkten abgeändert werden. Erst nach ihrer Verabschiedung wird es eine Verpflichtung geben, diese in nationales Recht umzusetzen.
  2. Wie lange die Umsetzung dann noch dauert, lässt sich nicht vorhersagen (im Entwurf vorgesehen sind 2 Jahre ab Inkrafttreten der Richtlinie, s. u. 3b). Dass es zu einer zeitnahen Änderung in Deutschland kommt, ist eher unwahrscheinlich.
  3. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass der Gesetzgeber in Deutschland diese Änderungen mit einer Rückwirkung für bereits eröffnete Verfahren versehen wird. Dies hat er bei vergleichbaren Änderungen (mit Hinweis auf die Gläubigerrechte) bisher so gut wie nie getan; es besteht also kein Grund für die Annahme, dass er nunmehr von dieser Praxis abweichen wird.[8] Man sollte davon ausgehen, dass von dieser Änderung wohl erst die Verfahren profitieren werden, die nach der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht eröffnet werden.

 

2. Was gibt die EU-Richtlinie vor?

Die für die Verfahrensdauer entscheidende Regelung findet sich in Art. 20 des Richtlinienentwurfs (RLE) der Europäischen Kommission:

(1) Die Entschuldungsfrist, nach deren Ablauf überschuldete Unternehmer in vollem Umfang entschuldet werden können, beträgt höchstens drei Jahre ab folgendem Tag:

a) im Falle eines Verfahrens, das mit der Liquidation der Vermögenswerte des überschuldeten Unternehmers endet, dem Tag, an dem die Justiz- oder Verwaltungsbehörde über den Antrag auf Eröffnung des Verfahrens entschieden hat, oder

b) im Falle eines Verfahrens, das einen Tilgungsplan umfasst, dem Tag, an dem mit der Umsetzung des Tilgungsplans begonnen wurde.

(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die überschuldeten Unternehmer nach Ablauf der Entschuldungsfrist entschuldet werden, ohne dass ein neuer Antrag bei einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde gestellt werden muss.[9]

a. Erläuterungen

aa. Zunächst einmal ist der Hintergrund dieser Richtlinie also derselbe, wie im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP aus dem Jahr 2009. Man will Unternehmern eine zweite Chance geben.[10]

Man darf sich vom Wortgebrauch allerdings nicht zu sehr beeindrucken lassen, denn derartige Veränderungen haben im Ergebnis Wirkung für alle insolventen Personen. Auch bei der Umsetzung der Vorgaben des genannten Koalitionsvertrages war das völlig unstrittig. Eine lex specialis für Unternehmer, eine allein aufgrund des Unternehmerbezugs gewährte Verkürzung des Verfahrens, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit (in Deutschland) verfassungsrechtlich nicht durchsetzbar (und im übrigen auch unsinning und unpraktikabel). Man darf folglich davon ausgehen, dass die Umsetzung der Richtlinie in Deutschland zu einer Verkürzung aller Verfahren führen wird, unabhängig von einem unternehmerischen Bezug.[11]

Was der Entwurf deutlich zeigt: Der von der EU-Kommission erwartete maximale Zeitrahmen von 3 Jahren für Entschuldungsverfahren soll den Regelfall bilden. Die bisher/ derzeit noch in Deutschland bestehende Möglichkeit der Restschuldbefreiung nach 3 Jahren bzw. 5 Jahren stellt genau das Gegenteil dar, denn sie ist als Ausnahme von der Regeldauer (6 Jahre) konzipiert.

bb. Zwar gestattet die Richtlinie in Art. 19 Abs. 2 RLE [9], dass den Schuldnern eine Leistung abverlangt werden kann, also zum Beispiel die Zahlung einer bestimmten Tilgungssumme. Dies darf aber nur so geschehen, dass es dem konkreten Einkommen der betreffenden Person entspricht, was impliziert, dass Personen ohne hinreichendes Einkommen gar nicht belastet werden können. Ein solches System besteht mit der Pflicht zur Abführung des pfändbaren Teils des Einkommens in Deutschland schon und wird in dieser Form ganz sicher auch in Zukunft gelten. Was vom Einkommen pfändbar ist, ist demnach schon längst geregelt (mit Geltung auch für das Insolvenzrecht), und diese Regelungen enthalten bereits die Entscheidung darüber, wie weit der Eingriff in das Einkommen zumutbar ist. Dass es darüber hinaus weitere Belastungen geben könnte, ist äußerst unwahrscheinlich, denn dazu müsste der Gesetzgeber in den unpfändbaren Bereich des Einkommens vordringen oder den gesamten Pfändungsschutz auch außerhalb der Insolvenz neu regeln. Das darf als ausgeschlossen gelten.

cc. Auch die in Art. 22 RLE [12]  umschriebene Möglichkeit einer Einschränkungen für die vorgesehene Entschuldungsfrist kommt nur für spezielle Ausnahmen infrage. Damit wird lediglich klargestellt, dass die nationalstaatliche Gesetzgebung Ausnahmen vorsehen kann (was keine Umkehrung des Regel-Ausnahme-Bezugs rechtfertigt). Solche Ausnahmen gibt es im deutschen Insolvenzrecht ja schon durch die Möglichkeit, die Restschuldbefreiung auszuschließen bzw. zu versagen oder bestimmte Forderungen von der Restschuldbefreiung auszunehmen (vgl. § 302 InsO).

b. Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Umsetzung der vorliegenden Richtlinie in Deutschland zu einer bedingungslosen Verkürzung der regulären Verfahrensdauer von sechs auf drei Jahre führen wird. Da die Möglichkeit der vorzeitigen Restschuldbefreiung dann überholt ist, wird diese ersatzlos entfallen, da wohl kaum mehr ein Bedürfnis besteht, eine noch zeitigere Restschuldbefreiung zu ermöglichen. Falls doch, wäre dagegen nichts einzuwenden, da dies nichts an der regulären Restschuldbefreiung nach drei Jahren ändert. Die bisher bestehenden Pflichten und Obliegenheiten (Arbeit, Abführung pfändbaren Einkommens usw.) sind richtlinienkonform und werden daher ganz sicher beibehalten.

3. Wie geht es weiter?

Ob und wann diese Richtlinie im Europaparlament verabschiedet wird, ist noch unbekannt. Dabei sind natürlich auch noch Änderungen möglich. Wird sie aber beschlossen, muss Deutschland die reguläre Entschuldungsfrist (von bislang sechs) auf drei Jahre herabsetzen.

a. Kommt die Richtlinie in dieser Form?

Zumindest deutet derzeit alles darauf hin, dass die Verkürzung auf drei Jahre kommen wird.

Es wurden seit 2016 eine Reihe von Stellunganhmen von Verbänden eingereicht und Gegenvorschläge von EU-Abgeordneten entgegengenommen. Dabei zeigte sich eine sehr große Zustimmung bzgl. der geplanten Verkürzung auf drei Jahre, so dass mangels spürbarem und ernsthaftem Widerstand gegen diese Regelung die Hoffnung berechtigt ist, dass die Richtlinie in dieser Form umgesetzt wird. Sicherheit besteht darüber natürlich erst, wenn die Richtlinie verabschiedet wird. Man muss sich aber über eines im Klaren sein: Wenn die Richtlinie in Kraft tritt, kann der nationale Gesetzgeber daran nichts mehr ändern.

In der mit Datum vom 16.11.2017 durch das Europäische Parlament herausgegebenen Sammlung von Gegenanträgen[13] gibt es zu Art. 20 RLE nur zwei abweichende Anträge. Der eine stammt von der deutschen SPD-Politikerin Sylvia-Yvonne Kaufmann, nach der die maximale Frist nicht 3 Jahre, sondern 5 Jahre betragen soll.[14] Bei einer solchen Regelung müsste sich am status quo in Deutschland kaum etwas ändern, da lediglich die bestehende Maximaldauer von 6 Jahren um ein Jahr gekürzt würde. Dieser Vorschlag ist ein Ausdruck für die Beharrungskräfte der völlig unsinnigen Änderungen aus dem Jahr 2014. Der andere Gegenvorschlag stammt von den polnischen Abgeordneten Kosma Złotowski und Angel Dzhambazki, die den Passus „höchstens drei Jahre“ in „mindestens drei Jahre“ ändern wollen.[15] Letzterer Antrag ist derartig widersinnig, dass er eigentlich gar nicht erwähnenswert ist. Das Ziel der EU ist eine Verkürzung und gleichzeitig die Vereinheitlichung der Entschuldungsfrist. Der polnischen Gegenvorschlag zielt genau auf das Gegenteil. Demnach müssten sogar die Länder, die bereits eine kürzere Entschuldungszeit haben, diese wieder anheben. Die Qualität und Quantität dieser Gegenvoschläge spricht nicht dafür, dass sie den bestehenden Entwurf erfolgreich infrage stellen könnten.

b. Wann ist es soweit?

Wenn die Richtlinie Rechtskraft erlangt hat, wird es noch einen Umsetzungszeitraum in den Mitgliedstaaten geben. Im Entwurf vorgesehen sind hierfür maximal 2 Jahre ab Inkrafttreten der Richtlinie.[16] Ab diesem Zeitpunkt ist die nationalstaatliche Geltung dieser neuen Regelung sicherzustellen. Sollte der Richtlinienentwurf in der vorliegenden Form beschlossen werden heißt das, dass dem deutschen Gesetzgeber sehr viel weniger Zeit zur Planung und Umsetzung bleibt, als dies bei der letzten Änderung der Fall war. Kommt die Richtlinie (in der vorliegenden Form) noch 2018, wäre die neue Entschuldungsfrist von drei Jahren spätestens für Insolvenzeröffnungen im Jahr 2020 sicherzustellen. Die ersten Restschuldbefreiungen auf Grundlage dieser Neuregelung wären unter diesen Umständen 2023 zu erwarten.

Natürlich ist der deutsche Gesetzgeber nicht gezwungen, die Inkraftsetzung der Richtlinie abzuwarten. In diesem Jahr bietet sich ohnehin eine Prüfung der 2014 in Geltung gesetzten Regelungen zur vorzeitigen Restschuldbefreiung an. Hier wurde gesetzlich eine Evaluierung bis spätestens zum 01.06.2018 vorgesehen (vgl. Art. 107 Abs. 1 EGInsO).[17] Möglicherweise nimmt der Gesetzgeber bereits diese Ergebnisse zum Anlass, nach neuen Lösungen zu suchen.

Man muss sich aber im Klaren sein, dass das Konzept der EU-Kommission ein völlig anderes ist, als jenes, das derzeit noch im deutschen Insolvenzrecht gilt. Es ist also nicht damit getan, dass man die Bedingungen der vorzeitigen Restschuldbefreiung von 35 % + Kosten auf vielleicht 5 % herab senkt. Vielmehr verlangt die EU-Kommission eine Verkürzung ohne derartige Bedingungen. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass das zeitnah geschehen wird, falls die EU-Richtlinie nicht erlassen wird.

__________________________
[1] Vgl. WACHSTUM. BILDUNG. ZUSAMMENHALT. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, 17. Legislaturperiode vom 26. Oktober 2009 [PDF]. Dort heißt es unter der Überschrift „Gründerland Deutschland“ (S. 26 des PDF): „Wir wollen Gründern nach einem Fehlstart eine zweite Chance eröffnen. Dazu wird die Zeit der Restschuldbefreiung auf drei Jahre halbiert.“ Interessanterweise fand sich diese Äußerung nicht unter dem Abschnitt „Reform des Insolvenzrechts“ (S. 19 des PDF). [ZURÜCK]
[2] Wir haben die Entwicklung der Diskussion der Gesetzesänderung in Deutschland seit 2011 mit mehreren Artikeln begleitet, die den jeweiligen Stand widerspiegeln. Siehe hierzu zum Beispiel Verkürzung der Insolvenz auf drei Jahre? aus dem Februar 2011. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde deutlich, dass es eine generelle Verkürzung der Verfahrensdauer (wohl) nicht geben wird. [ZURÜCK]
[3] Eine Darstellung der seit 01.07.2014 geltenden Rechtslage, die sozusagen das Ergebnis der jahrelangen Diskussionen um die Verkürzung der Insolvenzzeit darstellt, findet sich in unserem Artikel Seit 01. Juli 2014: Neues Insolvenzrecht – TEIL 2: Nach 3 Jahren Schluss? [ZURÜCK]
[4] Auch hier scheint sich zu bewahrheiten, dass die wirklich großen positiven Änderungen für Verbraucher nicht auf nationaler Ebene geschaffen werden, sondern erst über das Europarecht in die nationalen Gesetze Einzug finden. In der öffentlichen Wahrnehmung ist weitgehend untergegangen, dass es beispielsweise nur deshalb seit 2016 (erstmalig) einen Anspruch auf ein Konto in Deutschland gibt (sog. Basiskonto). Die betreffende deutsche Regelung basiert nämlich auf der Umsetzung einer Richtlinie des Europäischen Parlaments vom 23.07.2014 [PDF]; siehe hierzu auch Basiskonto: Wie man ein Basiskonto bekommt und wie es funktioniert. Vorher hatte sich der deutsche Gesetzgeber mit der völlig wertlosen Selbstverpflichtung der Banken zufrieden gegeben, die aus den neunziger Jahren stammte. [ZURÜCK]
[5] COM(2016) 723 final, Vorschlag für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU [ZURÜCK]
[6] COM(2016) 723 final, S. 21 (sub Folgenabschätzung) [ZURÜCK]
[7] Schon 2011 hatte das europäische Parlament eine Entschließung angenommen, die eine (bloße) Empfehlungen für die Harmonisierung des Insolvenzrechts enthielt und die sich dafür aussprach, die Entschuldungsverfahren auf maximal 3 Jahre zu reduzieren, vgl. COMPET 222, 31. Mai 2011, S. 7, Nr. 14 [PDF]: Der Rat der Europäischen Union „fordert die Mitgliedstaaten auf, Unternehmern eine zweite Chance einzuräumen, indem bis 2013 die Tilgungs- und Entschuldungsfrist für ehrliche Unternehmer nach Möglichkeit auf drei Jahre nach einer Insolvenz begrenzt wird“. Dies hat, wie wir in Deutschland am besten erfahren konnten, nicht den erhofften Erfolg erzeugt, sondern nur zu einer Alibigesetzgebung geführt.[ZURÜCK]
[8] Zwei Artikel zur Illustration: Schnellere Restschuldbefreiung auch für alte Insolvenzverfahren? (2016) und Insolvenzverkürzung – Auch für bereits laufende Insolvenzverfahren? (2011) [ZURÜCK]
[9] COM(2016) 723 final, S. 56, vgl. auch S. 26 (sub Titel III – Zweite Chance für Unternehmer), Hervorhebung durch uns [ZURÜCK]
[10] s.o., Fn. 1 [ZURÜCK]
[11] Das findet sich in der Begründung zum Richtlinienentwurf allerdings auch ausdrücklich wieder, vergleiche COM(2016) 723 final, S. 4: „Nicht nur Unternehmer sind betroffen. Wenngleich Verbraucher im Rahmen der nationalen Insolvenzvorschriften weitgehend gleich behandelt werden, ist dies nicht in allen Mitgliedstaaten der Fall. Dies führt zu höheren Kosten für die Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten und wirtschaftlichen Folgen wie rückläufiger Verbrauch, verringerte Erwerbstätigkeit und entgangene Wachstumschancen.“ vgl. auch Art. 23 RLE, COM(2016) 723 final, S. 57 [ZURÜCK]
[12] COM(2016) 723 final, S. 57, vgl. auch S. 26 (sub Titel III – Zweite Chance für Unternehmer) [ZURÜCK]
[13] 2016/0359(COD), Änderungsanträge 86 – 382, Entwurf eines Berichts Angelika Niebler [ZURÜCK]
[14] 2016/0359(COD), Änderungsantrag 344 zu Art. 20 RLE v. Sylvia-Yvonne Kaufmann, S. 149f. (PDF) [ZURÜCK]
[15] 2016/0359(COD), Änderungsantrag 345 zu Art. 20 RLE v. Kosma Złotowski und Angel Dzhambazki, S. 150 (PDF) [ZURÜCK]
[16] COM(2016) 723 final, Art. 34 RLE, S. 63 [ZURÜCK]
[17] Vgl. hierzu auch 3-Jahres-Insolvenz: Erste Bilanz 2018 [ZURÜCK]
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18 Comments

  1. zunächst einmal vielen Dank für Ihre informative Seite. Mein Insolvenzverfahren / Regelinsolvenz als Einzelunternehmer wurde zum 22.09.2020 eröffnet. Hier habe ich im Nachgang auch die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit erhalten. Ab wann tritt eine Restschuldbefreiung nach dem neuen Insolvenzrecht für mich in Kraft? Ich gehe davon aus, dass für mich die Übergangsregelung gilt. Daher meine weitere Frage, besteht die Möglichkeit die Restschuldbefreiung weiterhin zu verkürzen bzw. welche Voraussetzungen muss ich hierfür erfüllen? Sarnierungsplan? Ich bedanke mich im Voraus für die Beantwortung meiner Fragen. Mit freundlichen Grüßen


    ANTWORT: die Neuregelung, die für alle Insolvenzverfahren eine („bedingungslose“) Restschuldbefreiung nach 3 Jahren vorsieht, gilt leider erst für die Verfahren, die ab 01.10.2020 beantragt worden sind. Für die davor (zwischen 17.12.2019 und dem 30.09.2020) beantragten Verfahren gilt die Übergangsregelung, bei der Monat für Monat eine Abkürzung der Dauer vorgesehen war. Dafür entscheidend ist allerdings nicht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern die Beantragung. Wenn die Insolvenz beispielsweise zwischen 17.07.2020 und 16.08.2020 beantragt wurde, dann beträgt die Dauer (ab Eröffnung) bis zur Restschuldbefreiung 5 Jahre (statt früher 6 Jahre). Wurde der Antrag zwischen 17.08.2020 und 16.09.2020 gestellt, sind es 4 Jahre und 11 Monate usw. (die Liste finden Sie hier). Man muss dabei sehen, dass diese Übergangsregelung sich lediglich auf die Maximaldauer bezieht, die vorher 6 Jahre betrug. Die übrigen Regelungen blieben aber für diese Verfahren in Kraft. die Möglichkeit der vorzeitigen Restschuldbefreiung nach 3 Jahren bei Erreichen von 35 % Befriedigungsquote besteht für diese Verfahren weiterhin, natürlich auch nur unter den Voraussetzungen, die in § 300 InsO (in der Geltung bis zum 01.10.2020) aufgeführt sind. Natürlich ist auch die Restschuldbefreiung nach dem 5. Jahr möglich, wenn die Kosten gedeckt sind, allerdings sieht man schon, dass für alle Verfahren, die ab dem 17.07.2020 beantragt worden sind, das nicht mehr attraktiv ist (um nicht zu sagen unnötig), da für diese Verfahren die Restschuldbefreiung bereits nach 5 Jahren („bedingungslos“) zu erteilen ist (also auch dann, wenn die Kosten nicht gedeckt sind). Auch die übrigen Möglichkeiten bestehen fort, eine Möglichkeit eines Insolvenzplans gibt es auch weiterhin. Auch die untypische Beendigung durch Verhandlung mit den Gläubigern und Verzicht ist möglich. Da hat sich nichts geändert.

  2. Hallo,
    wie lang ist die Speicherdauer nach erfolgter Redtschulfbefreiung?
    Bekomme im Januar 2022 vorraussichtlich die Restschuldbefreiung. Gilt die Speicherfrist von 1 Jahr?


    ANTWORT: das sollte geändert werden, hat es aber dann doch nicht.

  3. Guten Tag, am 14.03.2014 wurde bei mir Restschuldbefreiung erteilt. Leider bin ich unheilbar krank geworden und in die Schuldenfalle getappt. Wann ist eine erneute Antragsstellung für ein zweites Verbraucherinsolvenzverfahren möglich? Wenn ja, hat diese dann die 3-Jahre Wohlverhaltenperiode oder gilt dann immer noch die alte Regelung mit 6-Jahren?


    ANTWORT: Die erneute Antragstellung ist für Altverfahren möglich nach Ablauf von 10 Jahren, also in Ihrem Fall 2014. Erst für neue Verfahren ist die Frist länger. Für alle Verfahren, für die die Restschuldbefreiung vor 2020 erlangt worden ist, bleibt es bei den 10 Jahren. Das neue Verfahren dauert dann auch nur 3 Jahre.

  4. Hallo Herr Grundmann, kurze Frage: Wen ich anfang März die Schuldenbereinigung durchführe, danach den Antrag stelle, ab wann gilt dann die Frist?
    1.10.2020 bis 2023 oder sagen wir Pril 2021 + 3 Jahre? Danke und Gruß Joachim H.

    ANTWORT: die Frist beginnt mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Wann die Schuldenbereinigung begonnen hat, selbst der Zeitpunkt der Antragstellung zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Gericht sind also nicht entscheidend.

  5. Guten tag Herr Grundmann, heisst das jetzt, ich beginne mit der schuldenbereinigung und stelle dann den Antrag, wobei die Frist dann 1.20.2020 + 3 Jahre gilt oder sagen wir 29. März 2021 +3 Jahre? Danke und Gruß J. H.


    ANTWORT: Nein. Es bedeutet vielmehr, dass alle Personen, die ab dem 01.10.2020 einen Antrag stellen, ab Eröffnung des jeweiligen Verfahrens nach 3 Jahren restschuldbefreit werden. Wenn eine Insolvenz also beispielsweise im August 2021 eröffnet wird, kann im August 2024 die Restschuldbefreiung erteilt werden.

  6. Guten Abend, leider finde ich in Ihrem Artikel nichts darüber. Im Entwurf ist die Rede davon, dass der Eintrag der Restschuldbefreiung und die damit verbundene Schulden nun nach 1 als zuvor 3 Jahren gelöscht werden. Wurde es nun so umgesetzt ? Und gilt es auch für Personen wie mich, die im Mai 2020 die Restschuldbefreiung erteilt bekommen haben ?

    Ich danke ihnen im Voraus für die Antwort

    Michael


    ANTWORT: Ja, das wurde nicht übernommen diesmal, war geplant, aber…

  7. Bin schön 2017.Insolvenz,….was passieren jetzt in meinem Fall….Danke!


    ANTWORT: Die neuen Regelungen greifen nur für Verfahren, die ab Oktober beantragt werden, bis dahin gibt es noch eine Stufenlösung für alle Anträge, die seit ca. Mitte Dezember 2019 beantragt worden sind. Beides trifft auf Ihr Verfahren leider nicht zu, deshalb bleibt es bei Ihnen bei den bisherigen Regelungen.

  8. Hallo, Was heisst der neue Gesetz ab Oktober 2020- nur 3 Jahre schulderfrei dh wer da startet wird Oktober 2023 frei? Ich bin seit July 2019 im Insolvenz, was heist es für mich? Bin ich dann auch zum Oktober 2023 frei? Kann doch nicht sein, dass ich 2 Jahre später befreit werde als die die – Jahr nach mir das gemacht haben? . Danke


    ANTWORT: Also ich denke, Sie sollten zunächst den neuesten Artikel zum Thema lesen (Neuer Gesetzentwurf: 3 Jahre bereits ab 01.10.2020!), Wahrscheinlich ist Ihre Frage dort schon beantwortet. Aber wenn Sie seit Juli 2019 in der Insolvenz sind, profitieren Sie weder von der Stufenlösung (diese betrifft nur Verfahren, die ab Mitte Dezember 2019 beantragt wurden), noch von der generellen 3-Jahre_Insolvenz, denn diese betrifft nur die Insolvenzverfahren, die ab dem 01.10.2020 beantragt werden. Für alle Verfahren, die vor Dezember 2019 beantragt worden sind gilt die seit 2014 geregelte Dauer von maximal 6 Jahren mit der Verkürzungsmöglichkeit auf 3 Jahre (bei Erbringung von 35 % + Kosten) bzw. 5 Jahre (wenn innerhalb der ersten 5 Jahre die Kosten reguliert werden). Ist das gerecht? Man kann streiten. Vorhersehbar war jedenfalls nicht, dass die Verkürzung auf 3 Jahre bereits ab 01.10.2020 in Kraft tritt, selbst die Stufenlösung, die seit Dezember galt, ist ein absolutes Novum in der Insolvenzgesetzgebung, weil hier auch eine gewisse Rückwirkung eingetreten war. Für die neue Regelung, die ab 01.10.2020 gilt, ist es aber so, dass dort keine Rückwirkung auf Fälle eintritt, die zuvor beantragt worden sind.

  9. Hallo, ich habe eine Frage zur neu geplanten Rechtssprechung. Was bedeutet das für mich, wenn mein Anwalt im Oktober für mich den Insolvenzantrag stellt nach erfolglosem Bereinigungsplan. Wie lange müsste ich dann auf die Restschuldbefreiung warten?


    ANTWORT: drei Jahre, nach neuestem Gesetzesentwurf (siehe hier: Neuer Gesetzentwurf: 3 Jahre bereits ab 01.10.2020!)

  10. Guten Tag, heute erfuhr ich in der Presse, dass die Zeitspanne für eine erneute Privatinsolvenz von 10 auf 13 Jahre angehoben werden soll. Juni/2012 erhielt ich die Restschuldbefreiung aus einer Regelinsolvenz aus 2006.Nach jetzigem Recht konnte oder kann man nach 10 Jahren erneut eine Insolvenz beantragen. Dies also für mich im Jahr Juni/2022.Nun sieht es so aus als wäre es erst 2025.Ich meine die jetzige Summe liegt unter 5T €. Aber ich kann sie wegen einer minimalen EU Rente von 530€ mtl. nicht begleichen.Ich kann nur hoffen, dass die Veränderungen erst zum 01.07.22 in Kraft treten, denn da wäre meine 10 Jahressperrfrist abgelaufen.Oder sehe ich das falsch? MfG


    ANTWORT: der neueste Regierungsentwurf (Stand 03.07.2020) soll nur für Verfahren gelten, bei denen die erste Restschuldbefreiung in einem Verfahren stattgefunden hat, das ab dem 01.10.2020 beantragt wurde. Im (geplanten) Einführungsgesetz steht: „Wurde dem Schuldner letztmalig nach den bis einschließlich 30. September 2020 geltenden Vorschriften eine Restschuldbefreiung erteilt, so ist § 287a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 der Insolvenzordnung in der bis einschließlich 30. September 2020 geltenden Fassung weiter anzuwenden.“ – In § 287a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 der Insolvenzordnung steht das mit den 10 Jahren. Das würde in Ihrem Falle also trotzdem gelten, weil Sie die Restschuldbefreiung noch nach dem alten Recht erhalten hatten.

  11. H. - T. Brümmer

    Hallo, insgesamt aufschlussreich – allerdings kann man von einer schuldnerberatenden Kanzlei auch eine wissenschaftlich korrekte Recherche erwarten. Die Enschuldungsfrist wird ausschließlich in Artikel 21 der „RICHTLINIE (EU) 2019/1023 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 20. Juni 2019“, veröffentlicht am 26.06.2019 im Amtsblatt der EU, behandelt. Der angezogene Art. 20 der gleichen EU-Richtlinie behnadelt lediglich den „Zugang zur Entschuldung“ und hat nichts mit der Entschuldungsfrist zu tun.


    ANTWORT: ich erkläre Ihnen das sehr gern. Der Artikel wurde erstmalig 2018 veröffentlicht, in der Folge wurde der Artikel fortgesetzt. Man kann das sehr gut sehen, da die Einzelartikel voneinander mit der Angabe des jeweiligen Veröffentlichungsdatums abgeteilt sind. Der 2018 veröffentlichte Teil ganz unten konnte selbstverständlich nicht mit der Richtlinie arbeiten, die Sie hier erwähnen, also der Fassung von 2019 (die finden Sie im Artikelteil von 2019). Unsere Äußerung 2018 bezog sich auf den Richtlinienentwurf von 2016. Wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, den Art. 20 im damaligen Richtlinienentwurf nachzulesen (dafür hält die Fußnote 9 bis heute den Download bereit), hätten Sie vielleicht feststellen können, dass Art. 20 diesen Inhalt hatte. Ich würde mich gern hier mit „produktiven“ Fragen beschäftigen, gern auch in der Sache kontrovers, aber der Tonfall Ihrer Äußerung lädt mich nicht unbedingt dazu ein.

  12. Das Speicherverfahren sollte sowieso aufgehoben werden.6 Jahre sind schon eine lange Zeit und damit sollte es abgegolten sein.In Frankreich dauert das ganze 24 Monate und ist raus.Nur hier in Deutschland will man nicht das ein Schuldner wieder am normalen Leben teilnehmen soll.Es gibt auch Schuldner die unverschuldet darein gekommen sind wie Selbständige deren Kunden nicht bezahlt haben.Diese dauruch 9 bis gar 10 Jahre damit zu bestrafen sollte der Staat sich mal Fragen ob das alles so richtig ist.


    ANTWORT: Das sehe ich genauso. Vielleicht mit einer Einschränkung: Es kommt gar nicht darauf an, wie viel Schuld jemand hatte an seiner Überschuldung. Es gibt auch Leute, die es krachen haben lassen. Wichtig ist aber doch nur, dass eine Person alle Anforderungen des Entschuldungsverfahrens treu und brav erfüllt hat. Dann muss er über die bereits sehr lange Dauer des Verfahrens nicht noch zusätzlich bestraft werden. Zumal das Insolvenzrecht kein Strafrecht ist (manchmal hat man den Eindruck). Die Frage ist ja auch, warum es in anderen Ländern viel besser geregelt ist. Ich denke, dass hier in Deutschland der Fokus zu weit auf die eher unfähige Schuldnerberatungsindustrie der Wohlfahrtsverbände einerseits und die Inkassoindustrie andererseits gesetzt wird (anstatt nach einem gut funktionierenden Regelwerk zu suchen). Die Wohlfahrtsverbände müssten den Gesetzgeber dazu bringen, sinnvolle bzw. ausgewogenere Gesetze zu gestalten. Aber das geschieht nicht. Wie auch, wenn man nicht wirklich Ahnung hat? Deshalb wird seit Jahren nur die Inkassoindustrie und deren „berechtigte Sorgen“ vernommen. Dass sich jetzt etwas positiv ändert, geschieht ja auch nur, weil der deutsche Gesetzgeber verpflichtet ist, es als europäische Richtlinie umzusetzen.

  13. Zitat: „Speicherungsdauer bei Auskunfteien Als durchaus sinnvoll erweist sich hingegen der Plan, die Speicherungsdauer bei Auskunfteien zu verkürzen. Statt 3 Jahre soll es dann nur noch ein Jahr sein.“ Muss nicht dann mindestens die Datenspeicherungsdauer der abgeschlossenen Altverfahren bei der Schufa & Co. auf 1 Jahr dann reduziert werden???


    ANTWORT: Wie sich das auf Altverfahren auswirkt, kann ich Ihnen momentan noch nicht sagen. Die Regelung der Verkürzung in der SCHUFA wird aber auch Altverfahren betreffen müssen, hier wird es ganz sicher eine Rückwirkung geben. Die Frage ist allein, ob bei Umsetzung des Gesetzes die bis dahin bereits verstrichene Zeit bei der SCHUFA angerechnet wird. Das kann ich Ihnen wirklich momentan nicht sagen. Aber nehmen wir an, dass zum Zeitpunkt der Umsetzung des Gesetzes bereits ein Jahr vergangen ist, dann wäre im ungünstigsten Fall für die Altverfahren die Austragung spätestens nach Ablauf eines weiteren Jahres (ab Inkraftsetzung des Gesetzes) durchzuführen. Natürlich ist es möglich, dass der Gesetzgeber ausdrücklich jegliche Rückwirkung ausschließt, aber das glaube ich – was die SCHUFA-Regelung betrifft – nicht, denn hier sind Gläubigerrechte nicht unmittelbar betroffen und es macht auch wirklich keinen Sinn.

  14. Beinhaltet die neue RiLi im Falle von bestraftem Delikt (hier: Steuerhinterziehung wg. Nichtabgabe mehr. EStE) Regelungen bzgl. der angelaufenen Zinsen, VSpZ, SäumnZ – die ja mit dem Delikt selbst nichts zu tun haben. Im vorliegenden Fall: delikt-ursächlich: EUR 50.000, Zinsen etc ebenfalls 50.000. Danke für Antwort ! Boyd


    ANTWORT: die Möglichkeit, bestimmte Forderung von der Restschuldbefreiung auszunehmen, sieht die Richtlinie vor, und das steht auch recht großzügig im Belieben des nationalen Gesetzgebers. Die wahrscheinlichste Variante ist die, dass es diesbezüglich bei dem bleibt, was jetzt schon in Deutschland gilt. Dafür dürfte sich also durch die gesetzliche Änderung nichts Neues ergeben (es sei denn, der Gesetzgeber nimmt die Neuregelung zum Anlass, auch hier etwas Neues zu regeln). Nach dem jetzigen Wortlaut des § 302 Insolvenzordnung ist es naheliegend, davon auszugehen, dass sämtliche Forderungen im Zusammenhang mit der Steuerstraftat, also auch die Nebenforderungen von der Deliktsnatur betroffen sind.

  15. Wird man sich dann (ggf 2021) als Schuldner auch von Unterhaltsforderungen bzw. Rückforderungen aus Unterhaltsvorschuss binnen 3 Jahren befreien können?


    ANTWORT: Nach dem derzeit geltenden Recht ist es so, dass auch Unterhaltsschulden von der Restschuldbefreiung umfasst sind. Natürlich nur jene, die bis zur Eröffnung der Insolvenz entstanden sind. Es ist aber möglich, dass die Unterhaltsschulden von der Restschuldbefreiung ausgenommen werden, wenn sie pflichtwidrig nicht gezahlt worden sind und sie im Verfahren aus diesem Grund als deliktisch angemeldet werden (§ 302 InsO). Ob der Gesetzgeber die aufgrund der EU-Richtlinie erforderlichen Änderungen zum Anlass nimmt, auch die Behandlung von deliktischen Forderungen zu ändern, weiß ich nicht. Aber es ist soooo unwahrscheinlich, dass ich darauf keinen Gedanken verschwenden würde. Es ist sehr naheliegend, dass sich in diesen Fragen nichts oder nicht sehr viel ändern wird. Die Richtlinie verbietet die Ausnahme bestimmter Forderungen von der Restschuldbefreiung nicht. Aber wie schon gesagt, auch heute ist es möglich (und wohl auch die Regel), dass man von Unterhaltsschulden restschuldbefreit wird, und daran ändert sich ganz gewiss nichts.

  16. Wenn die 3 Jahres Regel kommt, gilt sie dann nur für neue Insolvenzen oder auch bestehende???


    ANTWORT: in der Richtlinie gibt es soweit ich weiß keine Regelung für eine Rückwirkung. Das bedeutet, dass das eine Sache ist, die durch den nationalen Gesetzgeber selbst bestimmt wird. Und hier gilt für den deutschen Gesetzgeber, dass bislang im Insolvenzrecht noch niemals eine Rückwirkung (zugunsten des Schuldners) erfolgt ist. Das war auch bei der letzten Änderung 2014 so. Es ist also höchst unwahrscheinlich, dass mit Einführung des Gesetzes eine Rückwirkung erfolgen wird.

  17. Hallo, Ihr Koll. RA H. aus HH teilt mit, dass bereits Mitte des Jahres die EU-Rili kommt und bei der Tagung am 04.April 2019 in Berlin (Tagung Inso) BjM’in Barley einen diesbezüglichen Entwurf vorstellen wird.

    MfG


    ANTWORT: …man wird sehen. Ich kenne die aktuellen Mitteilungen in der Sache, meist schwammige Berichte in der Zeitungslandschaft, frei von Sachkenntnis. So ganz verstehe ich nicht, weshalb das erst jetzt überall ein Thema ist. Dass bereits am 04.04.2019 irgendetwas vorgelegt wird, das zeitnah umgesetzt wird, das wäre schon im Bereich der Wunder anzusiedeln. Sie meinen wahrscheinlich den 16. Insolvenzrechtstag. Bei diesen Veranstaltungen taucht die Justizministerin ständig auf, auch die Vorgänger. Was dort die Ministerin sagt, ist zwar sehr interessant, aber der Insolvenzrechtstag beschließt doch nichts dazu. Allenfalls kann man den Äußerungen der Ministerin etwas entnehmen. Bei der letzten Änderung von 2014 haben wir das hier auf der Seite ab 2011 getan, Jahr für Jahr, und nie war den Verlautbarungen etwas Konkretes zu entnehmen. Das ist wie Kaffeesatzlesen. Aber gut, ich habe ja gar nichts gegen eine schnelle Umsetzung der Richtlinie; das würde mich sehr freuen und es ist nicht ausgeschlossen, dass schon im April (gegen jede Erfahrung) Konkretes bekannt sein wird. Ich halte allerdings weitergehende Aussagen einfach nur für reißerisch. Diese Informationen hat einfach noch niemand, auch – mit Verlaub – kein RA aus HH.

  18. Gibt es schon die Restschuldbegleichung nach drei Jahren auf eu Recht


    ANTWORT: Nein. es gibt leider noch keine Neuigkeiten. Aber, wie gesagt, die Unmsetztung wird, sobald die Richtlinie da ist, voraussichtlich auch noch ein paar Jahre dauern.

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