Das halbe Kind im Pfändungsrecht

1. Teil - Nur teilweise Berücksichtigung der Unterhaltspflichten: § 850c Abs. 6 ZPO

 Aktuell  Juni/ Juli 2021  Die pfändbaren Beträge des Einkommens kann man relativ leicht bestimmen: Man liest sie einfach aus der Pfändungstabelle ab. Das ist im Normalfall keine anspruchsvolle Aufgabe.

§ 850c Abs. 6 ZPO (bis 2020: § 850c Abs. 4) enthält eine wichtige Abweichung, denn dort ist geregelt, dass unterhaltsberechtigte Personen ganz oder auch nur teilweise unberücksichtigt bleiben können.

Damit hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, die Freibeträge der Pfändungstabelle zugunsten des Gläubigers zu verringern. Bei der “nur teilweisen Berücksichtigung” wird durch das Gericht bestimmt, zu welchem prozentualen Anteil (häufig 50 %) die Unterhaltspflicht unberücksichtigt bleiben soll. Wenn dies geschieht, hilft die Pfändungstabelle plötzlich nicht mehr weiter, denn die dort ausgegebenen Zahlen beruhen auf der vollständigen Berücksichtigung von Unterhaltspflichten. Wie wird die (nur) anteilmäßige Berücksichtigung also berechnet? – Um die Beantwortung dieser Frage geht es uns in diesem Artikel.

§ 850c Abs. 6 ZPO (Hervorhebung d. d. Autor): “Hat eine Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt werden, so ist Absatz 5 Satz 3 nicht anzuwenden.”
Hinweis: In unserer Fortsetzung zu diesem Artikel Excel-Vorlage: Berechnung zum “halben Kind” finden Sie eine Vorlage zur einfachen Berechnung der Freibeträge bei nur teilweiser Berücksichtigung von Unterhaltspflichten

1. Vorab: Was klar sein muss

Das (vollständige oder teilweise) Herausrechnen von Unterhaltspflichten ist nur nach der Maßgabe des § 850c Abs. 6 ZPO (bis 2020: § 850 Abs. 4 ZPO) möglich. Dazu ist immer ein Antrag des Gläubigers (im Insolvenzverfahren ein Antrag des Insolvenzverwalters und in der Wohlverhaltensphase des Treuhänders) erforderlich.

Erst wenn aufgrund dieses Antrags ein entsprechender Beschluss vorliegt, kann die Absenkung nach Maßgabe des Beschlusses erfolgen. Bis dahin verbleibt es aber zwingend bei der Berücksichtigung der Unterhaltspflichten gemäß Pfändungstabelle. Das gilt im Übrigen auch im Insolvenzverfahren.[1]

Wichtig ist auch: Die nachfolgende Darstellung vollzieht die gesetzliche Berechnungsmethode, wie sie in § 850c ZPO zugrunde gelegt wird. Es gibt tatsächlich ein zunehmendes Bemühen, eine andere Berechnungsweise plausibel zu machen. Beliebt sind die völlig sinnfreien Ableitungen aus den Tabellenwerten (bzw. den Differenzen der Tabellenwerte). Diese Versuche kommen nicht von ungefähr, im Wesentlichen stammen sie von Insolvenzverwaltern, die den pfändbaren Betrag und damit den Massezufluss (zugunsten ihrer eigenen höheren Vergütung) erhöhen wollen. Die Auseinandersetzung mit derartigen Lösungsmodellen ist nicht Thema dieses Artikels. Aber zwei Punkte möchte ich dennoch vorab feststellen:

  1. Die (nachfolgend dargestellte) Berechnung ist nur dann zwingend, wenn das Gericht keine eigene oder andere Berechnungsmethode festgelegt hat. Das ist die Regel, denn meist wird nur eine Quote bestimmt, mit der eine Unterhaltspflicht (un)berücksichtigt bleiben soll (zum Beispiel 50%). Das Gericht kann aber eine andere Vorgehensweise festlegen, denn § 850c Abs. 6 ZPO (bis 2020: § 850c Abs. 4 ZPO) setzt eine Entscheidung nach Ermessen im Einzelfall voraus, was auch erhebliche Abweichungen vom grundsätzlichen Berechnungsweg legitimiert. Darin liegt leider ein großes Manko, denn in der Praxis fehlt es zumeist an einer angemessenen gerichtlichen Abwägung des Einzelfalls, die der Gesetzgeber vorausgesetzt hat. Das sieht man insbesondere bei Beschlüssen der Insolvenzgerichte, die oft geneigt sind, die Anträge der Insolvenzverwalter ungeprüft durchzuwinken.
  2. Daraus ergibt sich, dass es keinen Widerspruch darstellt, wenn ein Gericht eine Berechnungsmethode angeordnet hat, die der nachfolgenden Darstellung nicht entspricht. Allerdings gilt diese Abweichung dann immer nur für den speziell entschiedenen Fall. Uns aber geht es hier um die genuine Berechnungsmethode, die immer dann gelten muss, wenn keine Abweichung davon festgelegt wird. Wer auch ohne entsprechenden Beschluss die Berechnung anders ausführt, also zum Beispiel aus den Differenzen der Pfändungstabelle ableitet, rechnet immer fehlerhaft.

a. Vollständige Herausrechnung

Die vollständige Herausrechnung bedeutet, dass eine bestehende Unterhaltspflicht vollständig unberücksichtigt bleibt. Ich möchte dies hier nur ergänzend erwähnen. Praktisch von großer Bedeutung ist das für Ehepartner. Der Grund: Ehepartner sind sich zwar auch gesetzlich zu Unterhalt verpflichtet, werden deshalb auch als Unterhaltspflicht berücksichtigt. Allerdings ist es häufig so, dass der Ehepartner (was bei Kindern selten der Fall ist) “hinreichendes” eigenes Einkommen erzielt. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann dieses “hinreichende” Einkommen eines Unterhaltsberechtigten bereits dann vorliegen, wenn es ungefähr in der Höhe von ALG 2 + ca. 20 % vorliegt. Die Anforderungen sind also nicht allzu hoch (zumindest, wenn die betreffenden Personen im selben Haushalt leben).

Bleibt die Unterhaltspflicht völlig unberücksichtigt, dann entsteht allerdings gar kein Berechnungproblem. In diesem Fall wird der Schuldner so behandelt, als bestünde die betreffende Unterhaltspflicht nicht. Man liest dann den pfändbaren Betrag einfach aus der vorhergehenden Spalte (zum Beispiel nicht bei “1” sondern bei “0”) in der Pfändungstabelle ab.

Beispiel

Eine Person erzielt ein Nettoeinkommen von 1.540 Euro , es gibt eine Unterhaltspflicht. Der Gläubiger stellt den Antrag, die Unterhaltspflicht vollständig unberücksichtigt zu lassen. Bei 1.540 Euro sind nach aktueller Pfändungstabelle (01.07.2021) bei voller Berücksichtigung einer Unterhaltspflicht keine Beträge pfändbar (Spalte “1 Unterhaltspflicht” = 0). Bleibt die Unterhaltspflicht vollständig unberücksichtigt, sind 201,15 Euro pfändbar (Spalte “0 Unterhaltspflichten”).

b. Teilweise Herausrechnung

In zunehmendem Maß erfolgt aber auch die teilweise Herausrechnung von Unterhaltsberechtigten. Der wichtigste Anwendungsfall sind unterhaltsberechtigte Kinder. Befeuert wurde die enorme Zunahme diesbezüglicher Anträge durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 2014,[2] nach der als Einkommen des Kindes nicht nur etwa die ihm zustehenden Geldmittel zu berücksichtigen sind, sondern auch die Natural-Unterhaltsleistungen des anderen (zweiten) Elternteils. Damit droht die nur teilweise Anerkennung der Unterhaltspflicht zur Regel zu werden, wenn die beiden Eltern mit dem Kind im selben Haushalt leben.[3]

Es wird dann beantragt, die unterhaltsberechtigte Person zu einem bestimmten Prozentsatz (z.B. 50% bzw. 1/2) zu berücksichtigen bzw. unberücksichtigt zu lassen. Die in solchen Anträgen auftauchenden Quoten werden selten begründet. Oft sind es die besagten 50%. § 850c Abs. 6 ZPO spricht ja lediglich von der Möglichkeit einer “teilweisen” Nichtberücksichtigung. Allerdings bieten sich die 50% offenbar argumentativ als Mittelwert an, weshalb es eher selten ist, dass hier mit anderen Werten, wie z.B. 25% oder 30% gearbeitet wird.

2. Berechnungsmethode bei teilweiser Berücksichtigung

Anders als in den Fällen, wo die Herausrechnung der Unterhaltspflicht ganz erfolgt, stellt sich bei der nur teilweisen Herausrechnung die Frage, wie diese Berechnung technisch erfolgen soll.

Der Gesetzgeber hat nicht ohne Grund eine amtliche Pfändungstabelle vorgesehen, um die Pfändbarkeit des Einkommens verbindlich und ohne nähere Kenntnis des Pfändungsrechts feststellen zu können. Damit ist es auch Laien möglich, ohne großen Aufwand den pfändbaren Betrag des jeweiligen Lohns abzulesen. Aber wie wir ja schon wissen: Aus dieser amtlichen Tabelle kann man ausschließlich Werte für die vollständige Berücksichtigung von Unterhaltspflichten entnehmen.

Für die nur teilweise Berücksichtigung von Unterhaltspflichten gibt es eine solche amtliche Tabelle nicht. Wie also soll in einem Fall verfahren werden, in dem das Gericht die nur 50%ige Berücksichtigung einer Unterhaltspflicht anordnet?

a. Ableitung aus Pfändungstabelle?

Auch wenn die Werte nicht aus der amtlichen Pfändungstabelle entnommen werden können, scheint es auf dem ersten Blick naheliegend, bei der Berechnung auf die Tabellenbeträge zurückzugreifen. Dahinter steckt folgender Gedanke: Bei der Berücksichtigung einer Unterhaltspflicht wird in der Tabelle der pfändbare Wert in der entsprechenden Spalte abgelesen (z.B. unter “1” für eine Unterhaltspflicht). Das ist sozusagen der Wert für eine 100%ige Berücksichtigung der Unterhaltspflicht. Den Wert für eine 100%ige Nicht-Berücksichtigung findet man hingegen in der vorhergehenden Spalte (bei einer Unterhaltspflicht also in der Spalte “0”). Wird die Unterhaltspflicht nur zum Teil, also z.B. nur zur 50% oder 30% berücksichtigt, könnte man ja einfach den Differenzbetrag halbieren oder dritteln.

Das klingt zunächst logisch. Aber ist es das auch?

Beispiel

Nettoeinkommen von 1.770,00 €, es besteht eine Unterhaltspflicht, die nur zu 50% berücksichtigt werden soll: Ohne Unterhaltsverpflichtung sind 413,99 € pfändbar (ablesbar in der Spalte “0” Unterhaltspflichten, in der Zeile 1.770,00-1.779,99 Euro). Setzt man dies mit 100% (Nichtberücksichtigung) gleich, ergibt sich sich der Betrag für die 50%ige Nichtberücksichtigung aus der Halbierung. Ergebnis: 206,99 €.

Vorab: Das ist nur ein Beispiel für eine Ableitung aus der Pfändungstabelle. Dabei möchte ich es hier belassen, denn egal, was man versucht, man muss feststellen, dass alle Ableitungen aus den Werten der amtlichen Pfändungstabelle zu falschen Ergebnissen führen müssen. Der Pfändungsfreibetrag setzt sich – wie wir gleich noch näher darstellen werden – aus verschiedenen Teilbeträgen zusammen. Eine Verkürzung kann aber nur bei den Freibeträgen für diejenige Unterhaltspflicht erfolgen, für die die Verkürzung vorgesehen ist. Arbeitet man mit einer Differenzmethode auf Basis der in der Tabelle ausgerechneten 100%-Zahlen, dann verkürzt man immer auch Freibeträge, für die die Verkürzung nicht anwendbar ist (z.B. die eigenen Freibeträge des Schuldners).

Warum das so ist, erschließt sich nicht sofort; man muss hierzu wissen, wie Pfändungsbeträge berechnet werden. Denn der in der Pfändungstabelle ablesbare Betrag ist das Ergebnis einer Berechnung, die in einem bestimmten inneren Verhältnis die allgemeinen Freibeträge und die aufgrund der Unterhaltspflicht bestehenden besonderen Freibeträge kombiniert. Halbiert man die Beträge aus der Pfändungstabelle, dann verkürzt man damit auch die Freibeträge, die nicht die Unterhaltspflicht betreffen, für die die Absenkung erfolgt. Durch die nur anteilmäßige Berücksichtigung einer Unterhaltspflicht sinkt nicht nur der Freibetrag als Ganzes, es ändern sich auch die Freibetragsanteile an der Gesamtsumme für die übrigen Freibeträge (also auch der Beträge, die nicht sinken dürfen). Man muss verstehen, dass 50% hier nicht die Hälfte von 100% bedeuten, da sich die 50% eben nicht auf die Gesamtsumme beziehen, sondern nur auf einen Anteil an der Gesamtsumme (für den die Verkürzung erfolgen soll). Aus diesem Grund werden wir sehr bald zeigen können, dass in dem obigen Beispielfall der pfändbare Betrag eben nicht 206,99 €, sondern nur 168,98 € beträgt (siehe Berechnung unter 2c).

Daraus folgt: Alle Werte, die in der Tabelle nicht angegeben sind, können nur in einer eigenständigen Berechnung festgestellt werden.

b. Allgemeine Berechnungsgrundlage

Zur Lösung des Problems bleibt daher nur, einen Schritt zurückzugehen und zu fragen, wie die Werte in der amtlichen Pfändungstabelle gebildet werden. Wir haben dies bereits in unserem Artikel Arithmetik der Einkommenspfändung ausführlich dargestellt, weshalb ich es hier nur kurz zusammenfassen möchte:

Der Betrag, den wir in der Tabelle für das jeweilige Nettoeinkommen ablesen können, wird gebildet aus den statischen Freibeträgen[4] gemäß § 850c Abs. 1 und 2 ZPO (in Verbindung mit der aktuellen Freigrenzen-Bekanntmachung) und den variablen Freibeträgen[5] gem. § 850c Abs. 3 ZPO, die von der jeweiligen Höhe des Nettoeinkommens abhängen.

Die statischen Freibeträge sind durch das Gesetz festgelegt und stellen insgesamt eine Summe dar, die abhängig ist von der Anzahl der Unterhaltsverpflichtungen. Ohne Unterhaltsverpflichtungen beträgt der statische Freibetrag nach derzeitigem Stand (seit 01.07.2021) 1.252,64 €. Besteht eine Unterhaltsverpflichtung, wird dieser Freibetrag um 471,44 € erhöht. Für jede weitere (max. 4) Unterhaltsverpflichtung kommen weitere 262,65 € hinzu.[6]

Die variablen Freibeträge werden errechnet aus der Differenz zwischen dem tatsächlichen Einkommen und dem statischen Freibetrag. An dieser Differenz besteht ein allgemeiner Grundfreibetrag von 3/10. Für die 1. Unterhaltspflicht kommen weitere 2/10 hinzu und für jede weitere Unterhaltspflicht (maximal 4) noch mal jeweils 1/10.

Es gibt also insgesamt sechs mögliche Freibetragskomponenten (nachfolgend A bis F):

auf 10 Euro abrunden (§ 850c Abs. 5 ZPO): + Einkommen
A Allg. statischer Freibetrag = – 1.252,64 €
B stat. Freibetr. 1. UH-Pflicht = – 471,44 €
C stat. Freibetr. 2.-5. UH-Pflicht = je – 262,65 €
= Rest
D Allg. variabler Freibetrag = – 3/10 vom Rest
E var. Freibetr. 1. UH-Pflicht = – 2/10 vom Rest
F var. Freibetr. 2.-5. UH-Pflicht = je – 1/10 vom Rest
= pfändbar

Zusammengefasst gilt für die Berechnung des Pfändungsbetrags folglich:

Einommen (netto) – A – B – C – D – E – F = pfändbarer Betrag

Für das oben genannte Beispiel mit dem Einkommen in Höhe von 1.770,00 € und einer Unterhaltspflicht sieht das wie folgt aus:

Einkommen (netto): 1.770,00 €
A Allg. statischer Freibetrag = – 1.252,64 €
B stat. Freibetr. 1. UH-Pflicht = – 471,44 €
C stat. Freibetr. 2.-5. UH-Pflicht = 0
Rest: = 45,92 €
D Allg. variabler Freibetrag = – 3/10 v. 45,62 € = – 13,78 €
E var. Freibetr. 1. UH-Pflicht = – 2/10 v. 45,62 € = – 9,18 €
F var. Freibetr. 2.-5. UH-Pflicht = 0
pfändbar: 22,96 €

Hier möchte ich nun eine einfache Frage stellen: Wenn für die erste Unterhaltspflicht eine prozentuale Verkürzung (z.B. auf 50%) angeordnet wurde, wo darf diese ausschließlich eine Rolle spielen? Ich hoffe, die Antwort leuchtet ein: Ausschließlich in der Zeile B und E.

c. Berechnung: Teilweise Berücksichtigung

Der entscheidende Kniff für die anteilige Berechnung von Unterhaltspflichten ist jetzt (nur) noch, dies an den für die jeweilige Unterhaltspflicht vorgesehenen “Berechnungs-Stellen” zu tun. Das allgemeine Berechnungsschema für unseren Beispielfall (1.770,00 Euro Nettoeinkommen, 1 Unterhaltspflicht zu 50%) lautet dementsprechend:

Einkommen (netto) – A – 50%(B) – D – 50%(E) = pfändbarer Betrag

Die genaue Berechnung für unseren Beispielfall sieht so aus:

Einkommen (netto): 1.770,00 €
A Allg. statischer Freibetrag = – 1.252,64 €
B stat. Freibetr. 1. UH-Pflicht = 50%(471,44 €) = – 235,72
C stat. Freibetr. 2.-5. UH-Pflicht = 0
Rest: = 281,64 €
D Allg. variabler Freibetrag = – 3/10 (v. 281,64) = – 84,492 €
E var. Freibetr. 1. UH-Pflicht = 50%(2/10) (v. 281,64) = 1/10 = – 28,164 €
F var. Freibetr. 2.-5. UH-Pflicht = 0
pfändbar: 168,98 €

Die Berücksichtigung der 1. Unterhaltspflicht erfolgt im Beispielfall in den Zeilen B und E. Die Zeile A und die Zeile D betreffen hingegen den allgemeinen Grundfreibetrag, der unabhängig von bestehenden Unterhaltspflichten gesetzlich gewährt wird und daher auch von einer Beschränkung in Bezug auf Unterhaltspflichten nicht verkürzt werden kann. Die Zeilen C und F betreffen die 2.-5. Unterhaltspflicht, die im Beispielfall nicht vorliegt. Daher sind die 50% ausschließlich in den Zeilen B und E zu berechnen.

Dieses Beispiel sagt im Prinzip schon alles aus: Man sieht, dass die beiden Berechnungsebenen (statischer Freibetrag A-B-C und variabler Freibetrag D-E-F) in einer komplexen Verbindung stehen. Sinken die zu berücksichtigenden statischen Freibeträge (im obigen Beispiel Zeile B), erhöht sich der Restbetrag entsprechend. Damit vergrößert sich die Verteilungsgrundlage auf der zweiten Stufe (D-E-F).

Die nur teilweise Berücksichtigung einer Unterhaltspflicht bewirkt also in einem ersten Schritt die Erhöhung des ungeschützten Betrags (durch Verringerung der Freibeträge) und in einem zweiten – darauf aufbauenden – Schritt die Neuzuweisung der Anteile an diesem Betrag (und zwar zugunsten des Gläubigers).

Es ist ganz wichtig zu verstehen, dass die Berechnung der ersten Stufe nur einen Zweck hat; sie soll feststellen, wie hoch der Betrag ist, aus dem die an den Gläubiger zu zahlenden Anteile errechnet werden (“Rest”). Auf der zweiten Stufe wird der prozentuale Verteilungswert neu festgelegt und daraus der “Rest” als Eurobetrag verteilt. Beide Werte sind komplementär. Stehen dem Gläubiger zum Beispiel 7/10 vom “Rest” zu, dann erhält der Schuldner 3/10 usw.

d. Komplexes Beispiel

Ich möchte an dieser Stelle noch ein komplexeres Beispiel für die Berechnung geben. Ziel ist es nicht, damit die Sache noch komplizierter zu machen, sondern – im Gegenteil – zu zeigen, dass auch komplex erscheinende Fälle leicht auf das hier dargestellte Grundmodell zurückzuführen und daher ebenso leicht lösbar sind. Ich möchte hierzu folgendes Beispiel nutzen:

Eine Person hat ein Nettoeinkommen von 2.800,00 €. Die 1. Unterhaltspflicht soll zu 100%, die 2. Unterhaltspflicht zu 30% und die 3. Unterhaltspflicht zu 50% berücksichtigt werden. Wie hoch ist der pfändbare Betrag?

Berechnung:

Einkommen (netto): 2.800,00 €
A Allg. statischer Freibetrag = – 1.252,64 €
B stat. Freibetr. 1. UH-Pflicht = -100%(471,44 €) = – 471,44 €
C1 stat. Freibetr. 2. UH-Pflicht = 30%(262,65 €) = – 78,80 €
C2 stat. Freibetr. 3. UH-Pflicht = – 50%(262,65 €) = – 131,33 €
Rest: = 865,79 €
D Allg. variabler Freibetrag = – 3/10 = – 259,74 €
E var. Freibetr. 1. UH-Pflicht = – 2/10 = – 173,16 €
F1 var. Freibetr. 2. UH-Pflicht = 30%(1/10) = – 25,97 €
F2 var. Freibetr. 3. UH-Pflicht = 50%(1/10) = – 43,29 €
Ergebnis pfändbar: 363,64 €

3. Ergebnis

a. Zusammenfassung

Man sollte nunmehr sehen können, warum es keine Alternative ist, die Berechnungen aus den Zahlen der geltenden Pfändungstabelle abzuleiten, wie wir es oben (siehe unter 2a) angesprochen hatten. Denn die Berechnung des pfändbaren Einkommens ist immer ein Konglomerat von allgemeinen Freibeträgen und den Freibeträgen, die sich erst aufgrund des konkreten Einkommens ergeben. Im statischen Bereich zum Beispiel bewirkt die nur teilweise Berücksichtigung einer Unterhaltspflicht, dass ein geringerer Abzug vom Nettoeinkommen erfolgt, der „Rest“ also größer wird. Der im 2. Rechnungsschritt zu bestimmende variable Anteil berechnet sich aber aus diesem „Rest“. Dies bewirkt nunmehr, dass sich die variablen Freibeträge für alle Positionen (D-F) ändern (= steigen).[7] .

b. Vereinfachung durch Tabellen?

Wir haben gesehen, dass die Berechnung bei nur teilweiser Berücksichtigung von Unterhaltspflichten nach den selben Regeln erfolgt, mit denen die Werte der amtlichen Pfändungstabelle gebildet werden. Daraus ergibt sich die Frage, ob nicht auch für die nur teilweise Berücksichtigung der Unterhaltspflichten eine Tabelle erstellt werden kann, aus der dann einfach die entsprechenden Werte ablesbar sind.

Die gute Nachricht ist sehr naheliegend: Natürlich ist das möglich.

Die Schwierigkeit besteht hier allein darin, dass eine große Kombinationsbreite besteht, weshalb eine einzelne Tabelle nicht mehr ausreichend ist. Für jede Variation benötigt man eine eigene Tabelle. Die Tabelle, die die 50%ige Berücksichtigung für die erste Unterhaltspflicht wiedergibt unterscheidet sich von der Tabelle, bei der dies für die zweite Unterhaltspflicht erfolgt. Hinzu kommt, dass die Vorgaben nicht auf 50% lauten müssen. Jede Kombination und jeder denkbare Prozentwert benötigt eine eigene Tabelle. Die Frage ist, ob es möglich ist, diese Sachverhalte vollständig in Tabellen aufzubereiten.

Um es klar zu sagen: Möglich ist das schon, aber kaum sinnvoll.

Und es ist auch nicht nötig. Denn da die Tabellenberechnung immer mit wenigen Grundzahlen operiert, ist es technisch sehr leicht möglich, Tabellen auf Bedarf hin für jede denkbare Variation in kürzester Zeit herzustellen. Das lässt sich sehr gut programmieren. Wenn nur die Pfändbarkeit für einzelne Zahlen gesucht wird, bietet sich überdies auch die (nicht sehr anspruchsvolle) Programmierung mittels Excel-Datei an. Und für die regelmäßig relevanten 50% können in jedem Fall Tabellen zur Verfügung gestellt werden.

Das “halbe Kind” – Aktuelle Exceldatei

Genau diese technische Umsetzung möchte ich gern in unserem 2. Teil zu diesem Artikel darstellen, den ich an dieser Stelle empfehlen möchte:

 

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Hinweis: Der Artikel wurde zuerst im August 2018 veröffentlicht und 2021 aktualisiert.
[1] vgl. BGH IX ZR 45/11, Urteil vom 03.11.2011 sowie BGH IX ZR 46/11 (S. 5, sub Rz. 8). Man sollte in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass § 850c Abs. 6 ZPO (bis 2020: § 850c Abs. 4 ZPO) gerade in Insolvenz- bzw. Restschuldbefreiungsverfahren quantitativ eine sehr große Rolle spielt, weil – anders als bei einer Pfändung außerhalb der Insolvenz – der Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder sich sehr leicht einen umfassenden Einblick in die wirtschaftliche Situation des Schuldners und seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen verschaffen kann. Diese Kenntnis ist der problematische Teil des Antrags gem. § 850c Abs. 6 ZPO, da der antragstellende Gläubiger dies darlegen muss. [ZURÜCK]
[2] BGH IX ZB 41/14 [ZURÜCK]
[3] Es geht uns in diesem Artikel um die Darstellung der Berechnung des pfändbaren Einkommens, wenn nur eine teilweise Berücksichtigung der Unterhaltspflicht angeordnet wurde. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass § 850c Absatz 6 ZPO stets eine Einzelfallentscheidung erfordert. So hat der BGH in der angesprochenen Entscheidung nicht etwa festgestellt, dass Naturalunterhaltsleistungen stets als Einkommen des Kindes zu berücksichtigen sind, sondern nur, dass das berücksichtigt werden kann. Diese Berücksichtigung hat im Rahmen einer Gesamtabwägung zu erfolgen, vgl. BGH IX ZR 46/11, S. 6f. “Bei der Anwendung der Vorschrift verbietet sich jede schematisierende Betrachtungsweise. Das Gericht hat vielmehr seine Entscheidung nach billigem Ermessen unter Abwägung der wirtschaftlichen Lage des Gläubigers und des Schuldners sowie der von ihm unterhaltenen Angehörigen zu treffen. Dabei können Pfändungsfreibeträge und Unterhaltstabellen Anhaltspunkte für die Ausübung des Ermessens geben. Eine bloß einseitige Orientierung an bestimmten Berechnungsmodellen scheidet jedoch aus, weil sie dem Sinn des § 850c Abs. 4 ZPO [ab 2020: § 850c Abs. 6 ZPO] widerspricht.”. In der Praxis hingegen findet eine Abwägung mit dem bloßen Hinweis auf die BGH-Entscheidung sehr häufig gar nicht mehr statt. Diese Entscheidungen sind daher angreifbar. [ZURÜCK]
[4] Statische Freibeträge sind die durch das Gesetz festgelegten Freibeträge pro Person und pro Unterhaltspflicht. Sie ergeben sich aus § 850c Abs. 1 und 2 ZPO in Verbindung mit der jeweils aktuellen Freigrenzen-Bekanntmachung, die alle 2 Jahre (in den ungeraden Jahren) überprüft und regelmäßig angepasst wird. Die statischen Freibeträge sind wie folgt vorgesehen (Stand 01.07.2021-30.06.2023): Es gibt einen allgemeinen Freibetrag für jedermann, dieser beträgt 1.252,64 €. Die weiteren Freibeträge hängen von der Anzahl der gesetzlichen Unterhaltspflichten ab. Für die 1. Unterhaltspflicht gibt es einen Freibetrag in Höhe von 471,44 €. Für alle weiteren Unterhaltspflichten (insgesamt werden maximal 5 Unterhaltspflichten berücksichtigt) gibt es einen weiteren Freibetrag in Höhe von jeweils 262,65 €. [ZURÜCK]
[5] Variable Freibeträge: Alle Einkommensanteile, die über den statischen Freibetrag hinausgehen werden noch einmal mit einem zusätzlichen Freibetrag versehen. Dies soll im Ergebnis dazu führen, dass die Höhe der Pfändbarkeit auch vom erzielten Einkommen abhängig ist, sodass der Selbstbehalt umso höher ist, je mehr die Person verdient. Diese variablen Freibeträge werden im Gesetz in § 850c Abs. 3 ZPO nur als Anteile angegeben. Auch hier gibt es 3 verschiedene Zahlen: es gibt den allgemeinen, also für jeden geltenden Freibetrag in Höhe von 3/10, für die 1. Unterhaltspflicht gibt es einen weiteren Freibetrag von 2/10 und für jede weitere Unterhaltspflicht (insg. werden maximal 5 berücksichtigt) einen weiteren Freibetrag von jeweils 1/10. Maximal kann der variable Freibetrag 9/10 betragen (3/10+2/10+4*1/10). Vgl. insgesamt hierzu Arithmetik der Einkommenspfändung [ZURÜCK]
[6] Auch wenn die statischen Freibeträge je nach Anzahl der Unterhaltspflicht variieren, ist die Variationsbreite überschaubar. Hier können immer nur die nachfolgenden sechs Summen auftreten (Stand: ab Juli 2021):
– 2.774,68 (= 5 Unterhaltspflichten = 1.252,64 + 471,44 + 4 x 262,65 €)
– 2.512,03 (= 4 Unterhaltspflichten = 1.252,64 + 471,44 + 3x 262,65 €)
– 2.249,38 (= 3 Unterhaltspflichten = 1.252,64 + 471,44 + 2x 262,65 €)
– 1.986,73 (= 2 Unterhaltspflichten = 1.252,64 + 471,44 + 1x 262,65 €)
– 1.724,08 (= 1 Unterhaltspflicht = 1.252,64 + 471,44 + 0)
– 1.252,64 (= 0 Unterhaltspflichten = 1.252,64 € + 0 + 0) [ZURÜCK]
[7] Die Veränderung tritt also eben nicht nur für den Betrag ein, für den die angepasste, veränderte prozentuale Berücksichtigung erfolgen soll. Sämtliche variablen Freibeträge, also auch die, die nicht verkürzt werden, werden aus der Restsumme des statischen Freibetrags gebildet und verändern sich ebenfalls (= steigen), wenn der statische Gesamtfreibetrag durch die Veränderung eines einzelnen Freibetrags verändert wird (= sich verringert). [ZURÜCK]
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20 Comments

  1. Hallo, wir haben ein gemeinsames Kind; wir leben alle in einem gemeinsamen Haushalt. Nettogehalt vom Schuldner: 1.700,00 Euro. Wir haben ein Vergleich beim Gläubiger angefragt. Dieser bittet jetzt um Aufstellung vom Vermögen und Einkommen. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass kein pfändbares Einkommmen vorliegt. Jetzt bin ich aber unsicher. Ist es üblich, dass auch Inkassobüros solche Anträge stellen, wenn sie jetzt das Gehalt erfahren? Ich habe Sorge, dass der Job in Gefahr ist, wenn eine Gehaltspfändung eingeht

    ANTWORT: die Beantwortung dieser Frage hängt ein wenig davon ab, um welche Schuldsumme es sich insgesamt handelt. Liegt bereits ein sehr hoher Betrag vor, ist die von Ihnen geschilderte Vorgehensweise nicht sehr sinnvoll, denn das, was Sie verhandeln ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nur eine Abzahlung, bei der dann das Inkassounternehmen die Bedingungen bestimmt. Dass das Inkassounternehmen bei der Prüfung des Einkommens des Schuldners auch die familiäre Situation und die Einkommen weiterer Person prüft, dürfte allerdings nur ausnahmsweise der Fall sein. Gerade die Kürzung des pfändbaren Einkommens durch den Antrag auf nur teilweise Berücksichtigung spielt auf dieser Ebene in aller Regel keine Rolle, denn es ist (für die meisten Inkassounternehmen) zu kompliziert, und es gibt auch keine eindeutigen Bemessungsgrenzen. Wenn Sie aber die Furcht haben, dass der Gläubiger die Information über das Einkommen des Partners nutzen könnte, um einen Antrag auf nur teilweise Berücksichtigung der Unterhaltspflicht beim Kind zu beantragen, dann sollten Sie solche Informationen nicht ohne Not weitergeben. Das hilft Ihnen sicher nicht sehr viel weiter, weil die praktische Beantwortung dieser Frage letztendlich von den genauen Umständen abhängt. Deshalb wäre es vielleicht auch dann empfehlenswert, eine Beratung bei einer Schuldnerberatung in Ihrem Wohnumfeld wahrzunehmen, wenn noch keine Überschuldung vorliegt. Nur so sind praktische Ratschläge möglich.

  2. Guten Tag,

    der IV hat bei Gericht beantragt dass mein Sohn 9 (Pflegebedürftig) zu 30 % und meine Tochter zu 50 % berücksichtigt werden sollen. Ich habe einen langen Widerspruch geschrieben, dass ich wegen der Pflege in Teilzeit gehen muss und es mir bei der 30/50 % Variante nicht leisten kann. Durch die Inflation sind alle Kosten so sehr gestiegen dass ich wirklich schlaflose Nächte habe.

    Aktuell musste ich mein Antrag auf TZ zurück holen, da uns bei der Berechnung kaum etwas zum leben bleibt. Meinen Sie, es liest überhaupt jemand den Widerspruch und nimmt darauf Rücksicht? Die Kinder sind 24/7 bei mir. Es besteht kein Umgang. Sollte es wirklich so durchgewunken werden, muss ich mein Studium abbrechen (Kann mir die Fachbücher dann nicht mehr Leisten) und die Kinder in den Vereinen abmelden. Auch dass mein Sohn an erster Stelle der Berechnung steht macht finanziell einiges aus. Kann man um Änderung der Reinflogen bitten? Das würde es wenigstens etwas retten..

    ANTWORT: § 850c Abs. 6 ZPO, der es ermöglicht, bei eigenem Einkommen der Unterhaltsberechtigten die Freibeträge abzusenken, ist leider für die Praxis völlig ungeeignet. Bis vor einigen Jahren wurde diese Regelung nur so verwendet, wie sie ursprünglich gedacht war, nämlich als Ausnahme. Inzwischen wird sie so gut wie immer herangezogen, um den gesetzlichen Pfändungsfreibetrag zu verringern, insbesondere dann, wenn weitere unterhaltsverpflichtete Personen im selben Haushalt leben. Das Problem besteht darin, dass es dem gerichtlichen Ermessen unterstellt wird, zu welcher Lösung man kommt. Dieses Ermessen ist, sofern es nicht völlig abseitig ausgeübt wird, kaum angreifbar. Es wäre nötig, dass der Gesetzgeber diese Regelung so ändert, dass die Ergebnisse hinreichend überprüfbar sind. Zumindest im Insolvenzverfahren neigen die Gerichte (nach meiner Erfahrung) zu schnell dazu, einfach zu übernehmen, was der Insolvenzverwalter vorlegt, was wiederum dazu geführt hat, dass Insolvenzverwalter sich gar nicht mehr um eine nachvollziehbare Begründung bemühen. Es gibt allerdings auch Umstände, die eine andere Bewertung erzwingen. In Ihrem Falle ist mir nicht ganz klar, worauf die Annahme eines eigenen Einkommens der Kinder überhaupt beruhen soll. Das wäre ja nur dann denkbar, wenn die Kinder tatsächlich eigenes Einkommen in Geld hätten oder der Vater der Kinder bei Ihnen im Haushalt lebt. Wenn der Vater nicht im Haushalt mit den Kindern lebt, sollten die Chancen für Sie recht gut sein.* Falls das Gericht gleichwohl anders entscheidet, können Sie hiergegen Widerspruch einlegen, dann entscheidet (sofern das Amtsgericht den Beschluss nicht ändert) das Landgericht im Wege der sofortigen Beschwerde. Dass Sie sich gegenüber dem Gericht geäußert haben ist in jedem Falle sinnvoll, da das Ermessen des Gerichts ja nicht zwingend gegen den Schuldner ausgeübt werden muss und das Gericht sehr wohl erkennen kann, dass der Antrag in der gestellten Form nicht gerechtfertigt ist. Außerdem sollten Sie, falls Sie mit der Begründung des Gerichts nicht einverstanden sind, die Einlegung eines Widerspruchs nicht scheuen, auch wenn die Möglichkeit der rechtlichen Überprüfung durch die gesetzlich vorgesehene Ermessensausübung nur beschränkt möglich ist. Auf diese Weise können Sie zumindest sicherstellen, dass Sie alles getan haben, was in der Situation möglich ist.

    *PS: es kann natürlich noch andere Gründe geben, die es sehr leicht machen, den Antrag des Insolvenzverwalters zurückzuweisen, da kommt es aber dann sehr auf den Einzelfall an. Ein Beispiel dafür ist, wenn das Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft schon den Betrag nicht übersteigt, der bei Bezug von Bürgergeld zur Verfügung stünde. Ein weiteres Beispiel ist, wenn als Einkommen der Kinder unpfändbare Einkommen herangezogen werden, wie zB. Pflege- oder Kindergeld.

  3. Hallo,

    zuerst möchte ich Ihnen für diese sehr guten Informationen danken. Selbst die Rechtspflegerin bei Gericht konnte ad hoc nicht den korrekten Betrag berechnen beim “halben Kind”.

    Ich lebe mit meiner Lebensgefährtin in Ihrem Haus zusammen, wir haben 1 Kind. Ein Großteil des Kindesunterhalts wird durch mich erbracht (Lebensmittel, Strom, Internet, Kleidung, Spielzeug, Vereinsbeiträge, Fahrtkosten zu weit entfernten Sportveranstaltungen, Freizeitveranstaltungen, etc.). Meine Lebensgefährtin zahlt den monatlichen Abtrag für die Immobilie. Sämtliche anderen Kosten werden durch mich getragen.
    Das Gericht hat jetzt auf Gläubigerantrag einer 50%igen Berücksichtigung des Unterhalts zugestimmt. Dagegen möchte ich vorgehen und darlegen, dass ich mehr als 50% trage

    Dazu habe ich ff. Fragen:
    – Wie kann ich dem Gericht ggü. argumentieren, dass ich mehr als 50% trage? Geht man hier mittels einer Übersicht wer welche Kosten für das Kind trägt vor?
    – Welchen Anteil der Wohn- bzw- Darlehenskosten meiner Lebensgefährtin lässt sich auf den Naturalunterhalt des Kindes umrechnen? Ist dies exakt 1/3 (bei 3 Personen im Haushalt) oder gibt es hierfür Richtwerte?
    – Weiterhin haben wir 2 Haustiere deren Unterhalt aufgrund Größe bzw. Krankheit auch sehr kostspielig ist. Die Kürzung meines Pfändungsbeitrags könnte uns dazu bringen nicht mehr alle Kosten für die Tiere aufwenden zu können. Ist dies zumutbar, sprich müssten wir hierzu eines der Tiere abgeben?

    Ich danke Ihnen bereits an dieser Stelle für Ihre Ausführungen.

    ANTWORT: so gern ich es wollte, ich kann Ihnen Ihre Fragen nicht beantworten. Wenn das Gericht einen bestimmten prozentualen Anteil bestimmt hat, mit dem die Unterhaltspflicht unberücksichtigt bleiben soll, kann man die Berechnung sehr genau darlegen, da sich diese aus dem Gesetz selbst ergibt. Anders ist es bei der Frage, wie zu bestimmen ist, mit welchem prozentualen Anteil eine Unterhaltspflicht unberücksichtigt bleibt. Für diese Frage nämlich schreibt das Gesetz nur vor, dass sie nach “billigem Ermessen” des Gerichts erfolgt (vgl. § 850c Abs. 6 ZPO – früher: Abs. 4). Das bedeutet, dass das Gericht selbst bestimmt, welche Aspekte es für wichtig hält und welche nicht. Die häufigste Variante der Berechnung ist, dass man den Bedarf des Kindes nach allgemeinen Normen berechnet und diesen Bedarf dann prozentual nach dem Einkommen der beiden unterhaltspflichtigen Personen aufteilt, was letztlich bedeutet, dass in der Regel der Anteil des Einkommens am Gesamteinkommen relevant ist. Wenn der Gesetzgeber eine solche statische Berechnung gewollt hätte, hätte er sicher § 850c Abs. 6 ZPO nicht als Ausnahmeregelung formuliert, aber leider entspricht es der Praxis. Ich selber habe schon Fälle gesehen, bei denen der Ehemann so wenig verdiente, dass er seinen eigenen Selbstbehalt bei der Berechnung nicht erreichte, trotzdem wurde das wenige dann noch prozentual umgerechnet auf den Unterhalt des Kindes und damit die Freibeträge der Ehefrau verkürzt. Noch schlimmer ist, dass selbst dann, wenn die weitere unterhaltspflichtige Person gar kein Einkommen hat, der Naturalunterhalt in Form von tatsächlichen Leistungen wie Betreuung im Haushalt o. ä. herangezogen wird. Das Problem ist, dass die Rechtsprechung den Begriff der Einkünfte in § 850c Abs. 6 ZPO inzwischen auf jede Leistung erstreckt, selbst wenn sie keinen Geldwert hat. Im herkömmlichen Sinne sind Einkünfte idR Geldzuflüsse, weshalb (bevor die Rechtsprechung diese Erweiterung vorgenommen hat) die Verkürzung der Freibeträge aufgrund eines eigenen Einkommens bei Kindern eine seltene Ausnahme darstellte. Heute ist diese Verkürzung die Regel, und zwar immer dann, wenn die beiden unterhaltspflichtigen Personen und die unterhaltsberechtigte Person in einem Haushalt leben.

    Ich möchte damit nur begründen, warum sich Ihre Frage nicht beantworten lässt. Das hilft Ihnen natürlich nicht weiter, aber man sieht vielleicht, worin das Problem liegt. Sie können sehen, dass es bei einer solchen Berechnung überhaupt nicht darauf ankommt, wie hoch die Kosten sind. Anders ist das erst, wenn man mit dem Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft den ALG-2-Satz nicht mehr erreicht, aber das wäre dann eine andere Situation (§ 850f ZPO). Andererseits lohnt es sich natürlich immer, Argumente gegen die Berechnung des Gläubigers vorzutragen, denn der Umstand, dass es hier immer vom Ermessen des Gericht abhängt, kann auch dazu führen, dass das Amtsgericht der eigenen Argumentation folgt. Ist das nicht der Fall, hat man nur noch die Möglichkeit, mit Beschwerde beim Landgericht gegen die Entscheidung vorzugehen (“Sofortige Beschwerde”), und diese scheitert in aller Regel, weil es sich um eine Ermessensentscheidung des Amtsgerichts handelt. Ein Teufelskreis. Dass hier etwas nicht stimmen kann, sieht man im Übrigen sehr leicht daran, dass dieses Problem nicht entsteht, wenn die beiden unterhaltspflichtigen Personen nicht im selben Haushalt leben. Wenn dann der nicht im Haushalt lebende Unterhaltspflichtige den geschuldeten Unterhalt in Geld zahlt, kann ihm nicht der Naturalunterhalt entgegengehalten werden, den die andere Person erbringt (d. h. er/sie hat den ungeschmälerten Freibetrag gemäß Tabelle), weil – und hier ist es dann plötzlich ganz egal, was der andere Unterhaltspflichtige als Einkommen hat – die Leistung der einen unterhaltspflichtigen Person niemals dazu führt, dass die Unterhaltspflicht der anderen unterhaltspflichtigen Personen erlischt. Dabei sind dann die Unterhaltszahlungen möglicherweise sehr viel geringer, als das, was man als Haupteinkommensträger innerhalb der Bedarfsgemeinschaft gezahlt hätte.

  4. Hallo, ich warte derzeit auf die Berechnung und bin total unsicher. Ich bin alleinerziehend mit zwei Kindern, mein Sohn hat Pflegestufe 2 und erhält Unterhalt. Umgang besteht nur einmal im Monat. Meine Tochter erhält nur Unterhaltsvorschuss und es besteht keinerlei Kontakt zum Vater. Ich habe ein Einkommen von 2110,00 Euro netto und wüsste so gerne was Finanziell auf mich zukommt. Gibt es einen Unterschied ob meine Tochter nur Unterhaltsvorschuss bekommt?

    ANTWORT: so ganz verstehe ich das Problem noch nicht. Hier in diesem Artikel geht es um den Fall, dass für eine Unterhaltspflicht (wegen eigenen Einkommens) von einem pfändenden Gläubiger keine bzw. eine nur teilweise Berücksichtigung beantragt wird (damit ein höherer pfändbarer Betrag entsteht, als sich eigentlich aus der Pfändungstabelle ergibt). Unter den von Ihnen geschilderten Umständen halte ich es nicht für sehr naheliegend, dass jemand beantragt, die Kinder nur teilweise zu berücksichtigen. Die Pflegestufe (als Einkommen eines der Kinder) ist jedenfalls nicht ausreichend. Bereits mit einem voll berücksichtigten Kind kommen Sie schon auf einen Freibetrag von über 1930 € und bei 2 Kindern ist der Freibetrag mit ihrem Einkommen immer noch hoch genug, um Ihr Einkommen zu schützen. Ich kann also momentan nicht erkennen, wo hier ein Problem bestehen sollte.

  5. Hallo
    Ich habe eine Lohnpfändung. Nun wurde per Beschluss bestimmt das meine Tochter nur noch zu 50% berechnet wird und das Rückwirkend zu Juli2022. Nun sagt mein Arbeitgeber das ich wegen der Rückzahlung nächsten Monat kein Gehalt bekomme.
    Weil das bezahlt werden muss.
    Ist das Richtig?

    ANTWORT: Die Wirkung des Beschlusses kann nur noch Einkommen betreffen, das noch nicht gezahlt worden ist. Es gibt keine Möglichkeit mehr, auf die abgeschlossene Einkommenszahlung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen. Um zu erreichen, dass diese Einkommen noch berücksichtigt werden, müsste der Gläubiger einen Antrag auf vorläufige Sicherung stellen, sodass das Einkommen bis zur Entscheidung des Gerichts gerade nicht an den Schuldner ausgezahlt wird. Wenn Sie dieses Einkommen aber bereits erhalten haben, kann es nachträglich nicht mehr durch den Arbeitgeber verkürzt werden: Sobald das Einkommen ausgezahlt ist, ist es mit der Pfändungswirkung vorbei. Die Anordnung der Rückwirkung hat keine Bedeutung mehr, wenn die Zahlung bereits erfolgt war. Es ist grob falsch, wenn der Arbeitgeber nunmehr rückwirkende Verrechnungen mit neuem Einkommen vornimmt.

  6. Hallo , und zwar habe ich eine kurze Frage und zwar habe ich bei der Gerichtskasse eine Lohnpfändung. Ich bekomme bei meinem Lohn von 1600€ netto aber nur den geringsten Freibetrag von knapp 1400€ obwohl ich eine Tochter habe die auch bei mir im Haushalt wohnt die Freundin bzw Mutter meiner Tochter lebt auch in meinem Haushalt und hat ein eigenes Einkommen von rund 700€ nett dies müsste doch eigentlich meinen Freibetrag erhöhen oder zumindest den Freibetrag für ein halbes kind angerechnet bekommen?! Ich habe damals bei meiner Einstellung in der Firma eigentlich angegeben das ich auf meine Lohnsteuerkarte ein halbes Kind kinderfreibetrag habe das haben sie mir aber nicht eingetragen jetzt habe ich bei meinem Arbeitgeber darum gebeten meinen Lohnpfändung Freibetrag zu erhöhen weil ich ja noch ein leibliches Kind habe von 7 Jahren jetzt meinten die bei mir auf der Arbeit sie könnten meinen Freibetrag nicht erhöhen weil ich keinen kinderfreibetrag auf meiner Lohnsteuerkarte eingetragen habe aber das spielt doch im Endeffekt gar keine Rolle ob ich einen kinderfreibetrag auf meiner Karte eingetragen habe oder nicht weil das Kind habe ich ja eh und somit sollte dies doch gar nicht relevant sein für eine Lohnpfändungs Freibetrag Erhöhung bze teil Erhöhung oder nicht?! Die von meiner Arbeit meinten ich soll / muss jetzt erst aufs Finanzamt mir das halbe kind eintragen lassen vorher könnten sie nichts tun was halten sie davon bzw was würden sie mir jetzt weiter raten? Danke für eine baldige Antwort. Mfg Schmidt

    ANTWORT: Die Eintragung des Kinderfreibetrags ist allenfalls ein Indiz. Es gibt umgekehrt auch Fälle, bei denen ein Kinderfreibetrag verzeichnet ist, ohne dass die betreffende Person eigene leibliche Kinder hat (was Voraussetzung für die Gewährung des Freibetrags nach § 850c ZPO ist). Das Problem ist hier ggf., dass der Arbeitgeber nicht darüber informiert war, dass eine Unterhaltspflicht besteht, aber wenn er die Unterhaltspflicht auch dann nicht berücksichtigt, wenn Sie dies vortragen (Sie müssten es natürlich auch nachweisen können, z.B. durch Geburtsurkunde des Kindes – in der Sie als Elternteil eingetragen sind sowie ein Nachweis, dass das Kind in Ihrem Haushalt lebt) und er es dennoch ignoriert, dann kann er sich nicht darauf berufen, die Unterhaltspflicht nicht gekannt zu haben. Wenn er das ignoriert, macht er sich ersatzpflichtig. Der Nachweis wird nicht durch den Kinderfreibetrag erbracht, entscheidend ist die faktische Situation. Solange in der Pfändung nicht bestimmt wurde, dass das Kind als Unterhaltspflicht nicht/ nur teilweise berücksichtigt wird (insb. wenn es eigenes/ weiteres Einkommen hat), muss der Arbeitgeber die volle Unterhaltspflicht berücksichtigen. So, wie Sie es schildern, liegt der Verdacht nahe, dass der Fehler allein beim Arbeitgeber liegt.

  7. Sie schreiben, dass der Antrag auf (teilweise) Nichtberücksichtigung durch den Gläubiger beim Vollstreckungsgericht gestellt werden muss. Wie verhält es sich bei öffentlich-rechtlichen Gläubigern, die ihre Forderungen selbst für vollstreckbar erklären und durchführen – z. B. Finanzamt oder Krankenkasse. Dürfen Diese die (teilweise) Nichtberücksichtigung selbst aussprechen?

    ANTWORT: Im Falle eines Gläubigers, der selbst vollstrecken kann, also insbesondere Verwaltungen wie das Finanzamt, ist der Gläubiger gleichzeitig die Vollstreckungsstelle. Er muss folglich die Nichtberücksichtigung lediglich anordnen. Grundsätzlich darf man verlangen, dass dies ebenfalls erst nach Prüfung geschieht, allerdings ist der selbst vollstreckende Gläubiger auch hier nicht auf eine Antragstellung beim Amtsgericht angewiesen. Das ändert nichts daran, dass man sich gegen die Nichtberücksichtigung oder die fehlerhafte Festsetzung der teilweisen Nichtberücksichtigung wehren kann. Zuständig ist hier wiederum der vollstreckende Gläubiger selbst.

  8. Vielen Dank für Ihren, wieder einmal, sehr interessanten Beitrag. Mit stellt sich nun die Frage, wann genau es dazu kommen kann. Aktuell ist es so, dass ich mit dem Gedanken spiele in die Verbraucherinsolvenz zu gehen. Meine Eckdaten: unverheiratet, mit Partnerin und gemeinsamen Kind in einer Wohnung lebhaft, Nettoeinkommen ich ca. 2.000€, Nettoeinkommen meiner Partnerin ca. 1.700€. Der pfändbare Betrag laut Tabelle ist dabei vertretbar und würde die gemeinsame Haushaltskasse nicht zu stark belasten. Anders sähe es plötzlich aus, wenn ich nur ein halbes oder gar kein Kind eingerechnet bekäme. Wie wird sowas in der Praxis behandelt? Ist meiner Partnerin auskunftspflichtig über ihre Einkünfte? Gibt es eine Art “Obergrenze” an verfügbaren Einkommen für gemeinsame Haushalte?


    ANTWORT: in Insolvenzverfahren ist es in derartigen Konstellationen eher die Regel als die Ausnahme, dass der Insolvenzverwalter die nur teilweise Berücksichtigung der Unterhaltspflicht beantragt. Zwingend ist es aber nicht! Sofern die unterhaltsberechtigte Person (hier das Kind) nicht im selben Haushalt lebt, ist es noch anders, da dann der Unterhalt in jedem Fall in Geld gezahlt werden muss. Auch kann man natürlich gegen die Antragstellung des Insolvenzverwalters vorgehen. Aber hier zeigt die Praxis, dass das meist vergebens ist. Ich selbst bin ja der Auffassung, dass die Konstruktion, die zu einer solchen Situation führt, eine gesetzgeberische Änderung dieser Regeln oder doch zumindestens eine Konkretisierung erfordert. Eine andere Frage ist die nach der absoluten Grenze. Die unterste Grenze ist, wenn das gesamte Haushaltseinkommen nicht mehr ausreicht, um die notwendigsten Ausgaben zu tätigen. Der Auslöser ist dann aber nicht mehr die Unterhaltspflicht, sondern betrifft jede Bedarfsgemeinschaft. Diese Berechnung erfolgt dann auf ALG-Niveau und bezieht das gesamte Haushaltseinkommen ein. Damit wäre Ihnen ganz sicher nicht gedient. Die Partnerin selbst ist in einem Insolvenzverfahren nicht auskunftspflichtig, allerdings müssen Sie als Schuldner Auskunft geben, soweit es zumutbar ist. Gibt es gar keine Informationen, wird der Insolvenzverwalter die “Nicht-Ermittelbarkeit” der tatsächlichen Zahlen vortragen, und auf dieser Basis ist das Amtsgericht leider hinreichend oft bereit, auch Beschlüsse zu erlassen, die auf einer ins Blaue gehenden Antragstellung beruht.

  9. Hallo, ich habe folgende Frage: mein Partner befindet sich seit ca 1 Jahr in der Restschuldenbefreiuung. Wir erwarten jetzt im März unser erstes gemeinsames Kind. Noch sind wir nicht verheiratet. Sein Gehalt fällt jeden Monat unterschiedlich aus. Meine Frage wäre jetzt, ob wir seine Pfändungsfreigrenze erhöhen können obwohl das Kind ja im gemeinsamen Haushalt leben wird? Darüber hinaus arbeitet er auch manchmal am Wochenende. zählt dieser Lohn auch zu den Pfändbaren betragen? Vielen Dank im Voraus.


    ANTWORT: Leibliche Kinder sind gesetzliche Unterhaltspflichten im Sinnes des § 850c ZPO, weshalb sich sofort mit der Geburt auch der Freibetrag erhöht. Da Ihr Partner im selben Haushalt lebt, erbringt er seinen Unterhalt automatisch durch Naturalleistungen, die nicht gesondert nachgewiesen werden müssen. Er sollte allerdings seinem Arbeitgeber auch gleich mitteilen, wenn es soweit ist, damit dieser das ohne Verzug berücksichtigen kann. Was die Wochenendarbeit betrifft: Besondere Aufwendungen sind der Pfändung entzogen. Im Wesentlichen sind diese Freibeträge in § 850a ZPO benannt, also Zuschläge, Aufwandsentschädigungen, Überstunden usw. Das hängt aber davon ab, ob der Arbeitgeber diese Zuschläge zahlt (und im Einkommensnachweis ausgibt).

  10. Hallo, meine Frau und ich haben zwei getrennt Privatinsolvenzen. Meine Frau wird aufgrund von eigenen Einkommen nicht berücksichtigt. Wir haben ein Sohn (16 Jahre) zusammen, der in unserem Haushalt lebt. Ich habe noch eine Tochter (18 Jahre) die nicht in unserem Haushalt lebt. Beide haben kein eigenes Einkommen. Sohn in der Schule und Tochter lebt bei Ihrer Mutter im Haushalt. Sie macht eine überbetriebliche Ausbildung ohne Einkünfte. Jetzt hat der IV beantragt beide nur zu 50% zu berücksichtigen. Macht es Sinn dagegen vorzugehen ohne das ich die Restschuld oder die Übernahme der Verfahrenskosten gefährde? Vielen Dank im Voraus für Ihre Hilfe. MfG


    ANTWORT: Das kann man nicht pauschal beantworten, da § 850c Abs. 4 ZPO immer eine Einzelfallbetrachtung erfordert. Ich weiß, dass das in der Praxis oft nicht geschieht. In jedem Fall können Sie darlegen, warum Sie der Auffassung sind, dass eine Kürzung nicht gerechtfertigt ist, aber die Bewertung hängt doch sehr vom Gericht ab. Gerade bei Insolvenzen sehe ich zunehmend mehr Anträge von Insolvenzverwaltern, die gar nichts mehr darlegen und nach der einfachen Rechnung 2 Unterhaltsverpflichtete in einem Haushalt = 1/2 Unterhaltspflicht ihre Anträge stellen. Da kann man nicht vorhersagen, ob sich das Gericht bemüßigt sieht, die eigentlich in § 850c Abs. 4 ZPO vorgesehene strenge Prüfung durchzuführen. Solange das nicht gesetzlich anders geregelt wird, gräbt § 850c Abs. 4 ZPO die Ausnahme immer weiter zur Regel ab.

  11. Gilt diese Berechnungsgrundlage auch für nicht verheiratet Partner leiblichen Kindern?


    ANTWORT: ja, soweit es um die Unterhaltspflicht gegenüber dem leiblichen Kind geht, gibt es hier keinerlei Unterschied. Für diese Frage ist nicht entscheidend, ob die unterhaltsverpflichteten Personen verheiratet sind oder nicht.

  12. Viele Dank für diese hilfreichen Inforamtionen. Aktuell habe ich das Problem, dass das Finanzamt im Rahmen einer Drittschuldnerpfädung beim AG pfändet und hat entsprechend die Freigrenzen für eine Unterhaltsplfichtige Person gestrichen. Oben steht: Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann dieses “hinreichende” Einkommen eines Unterhaltsberechtigten bereits dann vorliegen, wenn es ungefähr in der Höhe von ALG 2 + ca. 20 % vorliegt Bei meiner Frau sind es genau 20 € unterhalb ALG2 in Bedarsgemscheinschaft +20 %. Gibt es da ein Urteil oder etwas auf dem man sich berufen kann)


    ANTWORT: Das ist nur ein Richtwert. Der BGH hat nur erklärt, dass es grundsätzlich möglich ist, ab dieser Größenordnung eine Person herauszurechnen. Das ersetzt aber nicht die konkrete Prüfung des Einzelfalls, denn der BGH hat auch gesagt, dass immer eine konkrete Abwägung stattfinden muss und es nicht nur eine rein rechnerische Behandlung geben darf. Genau das aber ist in der Praxis zur Regel geworden. So wie – offenbar – bei Ihnen das Gericht auch verfahren ist.

  13. Im Nachgang war es ja erstaunlich , dass der Rechtspfleger ohne Abwägung und Nachweise von meiner Seite her die Entscheidung gefällt hat. Demnach hätte ich ja alles mögliche angeben können im Bezug zum Einkommen meiner Lebensgefährtin ohne Beleg.
    Der Fortgang: Ich hatte ja das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde genutzt und detailliert die Einkommensverhältnisse sowie die monatlichen Belastungen aufgeführt. Nun die Antwort des Rechtspflegers: wird der Beschluss vom…auf die Beschwerde vom… nicht aufgehoben.Der sofortigen Beschwerde wird nicht abgeholfen. Die Insolvenzakte wird dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt

    Gründe: Es wird wieder monoton auf das BGH Urteil aus 2015 verwiesen erstmal ohne darauf einzugehen wie unsere wirtschaftliche Lage ist und der Beschluss entfaltet seine Wirkung ex nunc. Dann aber schreibt er, dass die außergewöhnlichen Belastungen, die ich angegeben habe im Rahmen eines gesonderten Verfahrens auf Erhöhung des pfändungsfreien Betrages zu prüfen wäre und unabhängig von der Beschlussfassung sei.Somit wird meine sofortige Beschwerde als Antrag auf Erhöhung des pfändungsfreien Betrages ausgelegt und der Insolvenzverwalter dazu angehört. Der sofortigen Beschwerde vom … sei mithin nicht abzuhelfen.

    Ich finde dieses Vorgehen seltsam interpretiere ich das BGH Urteil doch ganz anders – so wie Sie – das es eine kann und nicht zwingend muss Geschichte mit den halben Kind ist und gerade deswegen der Rechtspfleger hie auch nach Abwägung direkt anders entscheiden können. Ich bin nun gespannt A wie lange es dauert bis sich das Landgericht äußert B auf die geforderte Stellungnahme des Insolvenzverwalters.

  14. Guten Abend,
    wie Sie es prophezeit haben hat das Gericht ohne großartige Prüfung meiner wirtschaftlichen Lage irgendetwas abgewägt sondern dem Antrag des Insolvenzverwalters komplett statt gegeben. Auf Verfahrensfehler wurde nicht eingegangen. Es macht den Anschein, dass sich das Gericht erst gar nicht bemüht hat hier irgendwelche Berechnungen anzustellen sondern einfach den Antrag durchgewunken hat. Beschluss beide Kinder werden nur noch zu je 50% berücksichtigt. Der Abzug fällt demnach auch noch viel höher aus als wenn ein Kind zu 100 % berücksichtigt würde und das zweite gar nicht. Ich werde nun eine sofortige Beschwerde einreichen. Nach Abzug meiner monatlichen Kosten Miete und Schulbetreuung bleiben mir knapp 523 EUR selber zum Leben und davon soll ich noch 2 Kindern zu 50 % Unterhalt gewähren.


    ANTWORT: vielen lieben Dank für Ihren Erlebnisbericht. Das ist eine ganz wichtige Informationen, leider nicht sehr erfreulich, wenn es dabei bleibt. Es bestätigt sich dadurch der Verdacht, dass der Umgang mit § 850c Abs. 4 ZPO von den Gerichten allgemein äußerst lax behandelt wird.

  15. Sie haben es auf den Punkt gebracht. Alles was ich zu diesen Thema gelesen habe stützen Ihre Ansichten. Leider muss ich auch die Erfahrungen die Sie gemacht haben bestätigen.Was in vielen Rechtsgebieten ein Unding wäre scheint hier aufgrund der schwachen Stellung des Schuldners möglich und gewisse Rechtsvorschriften scheinen hier nach Willkür nicht zu gelten.Ich vermisse hier eine faire Neutralität des Gerichtes.Wie dem auch sei kann ich Ihnen gerne vom Ergebnis berichten. Im Kurzen :Werde ich zum einen nochmal beantragen den Antrag des Insolvenzverwalters abzuweisen und hilfsweise das 1.Kind zu 100 % zu berücksichtigen und das 2. zu 70 %. Ich hoffe hier,wie es der BGH in seinem Urteil fordert ,dass eine Gesamtabwägung durch das Gericht erfolgt.

  16. Vielen Dank! Ich habe nun heute beim Gericht mal angerufen und die Dame teilte mir mit das ich wenn ich dem geforderten ( Offenlegung der Einkünfte meiner Lebensgefährtin) nachkommen würde,ich Gefahr laufe die Stundung der Verfahrenskosten zu riskieren. Dabei habe ich erfahren , dass ich hierzu eine Frist bis zum 1.11 habe ,dass hätte sie wohl im Schreiben an mich vergessen.Ich habe auch das Gefühl, dass es das Gericht nicht interessiert , dass der Antrag des Insolvenzverwalters fehlerhaft bzw. unvollständig ist und somit von vorhinein abzuweisen ist. Aber damit ist eben nicht zu rechnen .Deshalb werde ich nun in den sauren Apfel reinbeißen und alles offen legen in der Hoffnung, dass das Gericht dies würdigt sowie auch die wirtschaftliche Lage meiner Familie. Es bleibt spannend aber ich werde kämpfen. Im Übrigen großes Lob für diese Internetpräsenz. Eine der Besten im Bereich Schuldenhilfe Privatinsolvenz überhaupt.


    ANTWORT: vielen Dank für Ihren Bericht. Im Rahmen der Antragstellung nach § 850c Abs. 4 ZPO kann ich nicht nachvollziehen, wie das Gericht hier vorgeht. Der Insolvenzverwalter (bzw. Treuhänder) hat zwar Anspruch auf derartige Informationen, da davon abhängt, in welcher Weise Ihr pfändbares Einkommen berechnet wird bzw. ob er einen Antrag nach § 850c Abs. 4 ZPO stellen muss. Insoweit entspricht es Ihrer Obliegenheit im Insolvenzverfahren, die notwendigen Auskünfte zu geben. Nur ist es nicht Aufgabe des Gerichts, diese Information von Ihnen einzufordern, sondern eben die des IV/TH (und zwar, bevor er den Antrag stellt). Die Obliegenheit zur Auskunft ist eine spezielle Situation im Insolvenzverfahren. Die Maßnahme des Gerichts ist aber nur dann nachvollziehbar, wenn der Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder von Ihnen die erforderlichen Informationen nicht erhalten hat. Das setzt voraus, dass er sie zunächst in irgendeiner Weise von Ihnen abgefragt hat. Erst wenn Sie Ihrer Obliegenheit nicht nachkommen, kann er sich zum Zwecke der Durchsetzung an das Gericht wenden. Das hat aber gar nichts mit dem Antrag nach § 850c Abs. 4 ZPO zu tun. Denn erst dann, wenn er den Antrag begründen kann (also die dafür nötigen Informationen ermittelt hat), kann er diesen Antrag stellen. Hier wird beides miteinander vermengt und gern übersehen, dass die Entscheidung des BGH (auf die sich diese neue Praxis der Umkehrung der Ausnahme zur Regel und der Ausweitung des § 850c Abs. 4 ZPO stützt), ausdrücklich auch auf die erhöhte Darlegungspflicht des Antragstellers hinweist (im Übrigen auch eine konkrete Abwägung des Gerichts fordert, was ich in der Praxis bislang noch nie erlebt habe). Leider ist diese (ich kann es jetzt nicht anders bezeichnen) schlampige Vermischung der Kompetenzen typisch für Insolvenzverfahren und die Zusammenarbeit zwischen Insolvenzverwalter und Gericht. Denn: Vergleichsbasis ist, wie ein Vollstreckungsgericht im Rahmen einer Antragstellung gemäß § 850c Abs. 4 ZPO vorgehen würde. Nun stellen sich einmal vor, ich würde als Gläubiger einen solchen Antrag im Zusammenhang mit einer Pfändung stellen und dabei dem Gericht einfach überlassen, die Antragsvoraussetzungen selber zu ermitteln. Was würde das Vollstreckungsgericht dann machen? Ganz einfach: Es würde den Antrag abweisen. Trotzdem rate ich Ihnen, gern auch mit zurückhaltendem Protest, die Nachweise bei Gericht vorzulegen. Denn Ihre Position als Schuldner im Insolvenzverfahren ist auch ohne nachvollziehbare Notwendigkeit ohnehin immer problematisch und Sie haben ansonsten einen langen und unerquicklichen Kampf vor sich; dafür lohnt sich der Aufwand nicht. Ich kann aber Ihren Ärger äußerst gut verstehen.

  17. Hallo nochmal! Zunächst vielen vielen Dank für Ihre schnelle Antwort. Nachfrage: Es ist ja nun so, dass ich nun erneut ein Schreiben vom Gericht bekommen habe wo um Sachstandsmitteilung gebeten bzw. Substantiierung und Nachweis der Einkommensverhältnisse meiner Lebensgefährtin. Dabei wird auf das Schreiben des Insolvenzverwalters Bezug genommen. Eigentlich hatte ich dem Gericht geschrieben, zu beantragen den Antrag des I-Verwalters abzulehnen , da dieser die Antragsvoraussetzungen nicht erfüllt. Was wäre sinnvoll zu tun ?


    ANTWORT: das Gericht vertritt hier offensichtlich die Auffassung, dass es im Rahmen der Amtsermittlung die Situation von sich aus aufklären muss. Das halte ich für sehr bedenklich, ich weiß aber, dass das bei Antragstellung im Insolvenzverfahren häufig auf diesem kurzen Wege geschieht. Ein Rat kann ich Ihnen hier kaum geben, denn letztlich ist es so, dass man beim Insolvenzgericht häufig die Vorstellung vorfindet, dass das allgemeine („normale“) Vollstreckungsrecht im Insolvenzrecht durchbrochen wird durch die besonderen Obliegenheiten des Schuldners. Das ist ein Grundfehler, denn das Pfändungsrecht gilt ohne Einschränkungen auch im Insolvenzrecht, weshalb ja der Insolvenzverwalter nach § 850c Abs. 4 ZPO wie jeder andere Gläubiger außerhalb des Insolvenzverfahrens den genannten Antrag stellen muss. Aber bringen Sie das einmal dem Rechtspfleger beim Insolvenzgericht bei, der den Schuldner ohnehin für „schuldig“ hält. Gerade in Fällen, wo man auch geteilter Meinung sein kann, ist es dann sehr schwierig. Jedenfalls habe auch ich sehr schlechte Erfahrung in Bezug auf Antragstellungen des Insolvenzverwalters für § 850c Abs. 4 ZPO und vor allem dem Verhalten des Gerichts hierzu machen müssen. Es bleibt dann nichts übrig als sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Gerichts einzureichen und die Sache durch das Landgericht zu entscheiden. Das kann dann aber ewig dauern und es ist nicht ausgemacht, dass das Landgericht kompetent genug ist, tatsächlich diese Entscheidung zu revidieren.

  18. Guten Tag
    ich befinde mich in der Privatinsolvenz. Ich lebe mit meiner Partnerin und 2 Kindern im selben Haushalt. Wir arbeiten beide. Ich verdiene 2000 EUR Netto meine Freundin 1500 Netto.Entsprechend werden 2 Kinder aktuell noch voll berücksichtigt. Nun hat der Insolvenzverwalter auf einmal mir geschrieben, dass ein Kind unberücksichtigt bleiben soll wegen des anzunehmenden Naturalunterhalts der Mutter ohne an das Gericht zu schreiben. Ich habe gegen den Antrag des I-Verwalters beim Insolvenzgericht Einspruch eingelegt. Dieser hat den Antrag dann ein zweites Mal beim Gericht eingereicht und in in einem Schreiben angeregt ,dass meine Freundin ihr Einkommen offen legen soll. Ist diese dazu verpflichtet? Sie hat selber hohe monatliche feste finanzielle Belastungen – könnten diese berücksichtigt werden ? Ich muss hier leider um jeden Euro kämpfen.Ich selber habe nach Abzug von Miete und Betreuungs/Schulkosten selber nur noch 700 EUR über. Vielen Dank im Voraus!! Grüße


    ANTWORT: Entscheidend ist nicht das Einkommen der Partnerin, sondern des Kindes. Leider hat die Rechtsprechung die Tore sehr weit auf gemacht, denn inzwischen gilt auch der Naturalunterhalt für das Kind als eigenes Einkommen desselben. Das führt (zumindest in den Fällen, in denen die Unterhaltsverpflichteten im selben Haushalt wohnen) regelmäßig zu einer Herausrechnung zu 1/2. Im Insolvenzverfahren zumindest ist das inzwischen fast immer so. Allerdings muss auch der Insolvenzverwalter den Antrag so stellen, wie es § 850c Abs. 4 ZPO vorsieht. Er muss selbst alle erforderlichen Daten vorlegen. So schlampig, wie es offenbar in Ihrem Verfahren gemacht wurde, geht es eigentlich nicht. Allerdings weiß ich aus eigener Erfahrung, dass die Gerichte § 850c Abs. 4 ZPO zugunsten des Insolvenzverwalters äußerst lax durchwinken. Naja, jedenfalls ist Ihre Partnerin nicht verpflichtet, irgendetwas vorzulegen.

  19. Hallo,
    vielen Dank für Ihre äußerst interessante Erklärung, die bei mir im Moment aber noch Kopfschütteln hinterlässt.

    Verstehe ich richtig, dass mir mit zwei Unterhaltspflichten (auch wenn eine nur zu 30% zählt) mehr Geld gepfändet wird, als es mit nur einer Unterhaltspflicht der Fall wäre? Das kann doch aber nicht im Sinn der Gesetzgebung sein. Nehmen wir einfach mal an, der große Sohn hätte sich statt eines Studiums dafür entschieden, arbeiten zu gehen und es bestünde keine Unterhaltspflicht. Dann würde nur noch der jüngere Sohn als einziger Unterhaltspflichtiger zählen und ich hätte einen Pfändungsbetrag von 184,75€. Im vorliegenden Fall leiste ich aber ganz real Unterhalt für zwei Kinder und bekomme dafür sogar 232,45€ gepfändet?


    ANTWORT: unbestritten ist das Ergebnis in Ihrem Fall genauso folgerichtig wie unsinnig. Nimmt man die 1. Unterhaltspflicht mit 30 % und die 2. mit 100 %, kommt man bei 1.935,00 Euro auf einen pfändbaren Betrag von 232,45 Euro, während bei nur einer Unterhaltsverpflichtung mit 100-prozentiger Berücksichtigung nur ein pfändbarer Betrag von 184,75 Euro entsteht. D. h., würde die 1. Unterhaltspflicht gar nicht berücksichtigt werden, also die 2. Unterhaltspflicht in der 1. Position aufrücken (dies geschieht bei Wegfall der Unterhaltspflicht immer), stünden Sie besser da. Als Ergebnis überzeugt das natürlich nicht. Allerdings ging Ihre erste Frage ja dahin, ob die Berechnung der Excel-Tabelle richtig sein kann. Und das ist sie in jedem Falle. Warum das so ist, habe ich ja schon erklärt. Aber Sie haben alles Recht, dieses Ergebnis nicht hinzunehmen. Denn natürlich ist es nicht nachvollziehbar, weshalb man bei vollständigem Wegfall der 1. Unterhaltspflicht besser gestellt ist, obwohl diese Unterhaltspflicht noch über die zweite Unterhaltspflicht hinaus mit 30 % berücksichtigt werden soll. Das macht im Ergebnis keinen Sinn. Sie müssen aber auch sehen, dass dies ausschließlich außerhalb der formalen Berechnung korrigiert werden kann. Ich selbst bin ohnehin kein Freund der neuerdings feststellbaren Inflation in Sachen § 850c Abs. 4 ZPO (vor allem in Insolvenzverfahren). Aber wenn so ein Missverhältnis im Einzelfall entsteht, kann man gegen den Beschluss des Gerichts bzw. Antrag des Insolvenzverwalters (oder außerhalb der Insolvenz gegen den des Gläubigers) vorgehen und verlangen, dass das Gericht unter Zugrundelegung dieser (untragbaren) Ergebnisse eine andere Festlegung trifft. Das Gericht müsste dann eben den konkreten Betrag oder eine abweichende Berechnungsweise festlegen, die sicherstellt, dass Sie mehr erhalten, als der Freibetrag ist, den Sie mit nur einem Kind hätten. Im Prinzip ergibt sich dieses Problem immer dann, wenn die 1. Position diejenige ist, die niedriger bewertet wird als die Restpositionen. Ich würde diesen Aspekt sehr gerne auch im Artikel selber noch ergänzen. Ich denke auch, dass man für diese Fallgruppe eine gesonderte Berechnungsweise herausarbeiten sollte. Nur leider gibt es diesbezüglich noch keine Rechtsprechung, die man generell auf eine abweichende Berechnung übertragen kann. Deshalb bleibt tatsächlich im Einzelfall derzeit nur, gegen die Art der Festlegung durch das Gericht vorzugehen. Das Gericht ist ja nicht verpflichtet, die Bestimmung zu § 850c Abs. 4 ZPO in der Weise zu treffen, dass es eine bestimmte prozentuale Berücksichtigung festlegt. Nur entspricht das eben in der Praxis dem Regelfall. Das Gericht hätte von sich aus schon sehen müssen, dass es hier nicht einfach nur die 30 % anordnen kann. Aber ehrlich gestanden verlangt man da vom Rechtspfleger viel(!!!) zu viel des Guten. Und letztlich ist es ja so, dass der Arbeitgeber diese Berechnung vornehmen muss. Wenn das Gericht keine konkrete Berechnungsweise vorschreibt, wird der Arbeitgeber allerdings die Berechnung wahrscheinlich so ausführen, wie sie auch durch die Excel-Datei vorgegeben ist, da dies dem Stand der herrschenden Auffassung für die Berechnung und auch den gesetzlichen Grundlagen entspricht. Die Gefahr ist also sehr groß ist, dass der Arbeitgeber zu dem selben Ergebnis kommt. Wenn Sie einen Antrag bei Ihrem Gericht stellen (wozu ich dringend rate!), wäre es sehr schön, wenn Sie mich darüber informieren könnten, wie es dort weiter gegangen ist. Um es aber ganz klar zu sagen: Das Gericht kommt in einem solchen Fall gar nicht umhin, eine andere Festlegung zu treffen, wenn sich diese Zahlen in Ihrem Falle realisieren sollten. Vielen Dank, dass Sie das Problem noch einmal erläutert haben.

  20. Hallo, ich habe die Excel-Tabelle getestet, aber ein – so denke ich – fehlerhaftes Ergebnis erhalten. Ich verdiene 1935€ netto. Ich habe zwei Kinder (9 und 20 Jahre alt). Der ältere Sohn studiert und erhält Bafög, es ist vom IV beantragt, das er nur noch zu 30% berücksichtigt wird. Bei der Nutzung der Excel-Tabelle ist das älteste Kind zuerst einzutragen. In der Variante ergibt sich jedoch ein pfändbarer Betrag von 232,45€, also mehr als würde er ganz rausfallen! Oder ist es doch egal, in welcher Altersreihenfolge eingetragen wird und der Sohn mit der 100% Unterhaltspflicht hat oben zu stehen?


    ANTWORT: Vornweg möchte ich Ihnen für Ihre sehr interessante Frage danken. Allerdings: Ihr mit der Excel-Tabelle errechnetes Ergebnis ist goldrichtig! Das kann man auch gut nachvollziehen, da die Excel-Datei zeigt, wie die Zwischenergebnisse zustande kommen. Im Prinzip haben Sie die Lösung auch selbst schon angesprochen: Für die erste Unterhaltspflicht sind die Freibeträge wesentlich höher. Wenn also 30% von der 1. Unterhaltspflicht berechnet werden, ist der Abzug deutlich größer, als wenn dies bei 2. Unterhaltspflicht geschieht. In Ihrem Fall ist der Abzug in der Summe höher, als der Betrag, der pfändbar wäre, wenn die 2. Unterhaltspflicht gar nicht berücksichtigt würde. Das ist kein Widerspruch, denn diesen Freibetrag für zwei Unterhaltspflichten erhält man ja nur, wenn die 1. Unterhaltspflicht zu 100% berücksichtigt wird. Da der Berücksichtigungswert für die 1. Unterhaltspflicht (bei 100%) immer die der zweiten Unterhaltspflicht übersteigt, ist es nur eine Frage der Prozentzahl, ab wann der Freibetrag für die erste Unterhaltspflicht so niedrig ist, dass der dadurch entsehende Abzug den (Tabellen-)Freibetrag für die zweite Unterhaltspflicht summenmäßig übersteigt (= man erreicht also immer irgendwann die “100%” der zweiten Unterhaltspflicht, je nachdem, wie hoch die Berücksichtigungs-Prozentzahl ist). Bei der vollen Berücksichtigung der 1. Unterhaltspflicht (mit Ihren Zahlen) ist der auf die erste Unterhaltspflicht entfallende Freibetrag 453,06 Euro (= 426,71+26,35), für die zweite Unterhaltspflicht (bei 100%) aber nur 250,91 Euro (= 237,73+13,18). Sobald für die erste Unterhaltspflicht die prozentuale Berücksichtigung so niedrig ist, dass der Abzug für diese auf >250 Euro steigt, ist der Abzug insgesamt höher, als auf die zweite Unterhaltspflicht entfällt (genauer: als auf die zweite Unterhaltspflicht entfallen würde, wenn die 1. Unterhaltspflicht zu 100% zu berücksichtigen wäre). Bei Ihren Zahlen schmilzt der Freibetrag für die erste Unterhaltspflicht von 453,06 Euro auf 153,84 (= 128,01+25,83), das stellt ein Defizit von 299,22 Euro dar. Und das ist höher als der Freibetrag, der auf die zweite Unterhaltspflicht entfällt, denn dieser liegt dann bei 280,78 (237,73+43,05). Auf gut deutsch: Der Abzug ist bei der ersten Unterhaltspflicht so hoch, dass er den sonst bestehenden Freibetrag der zweiten Unterhaltspflicht aufsaugt (würde die zweite Unterhaltspflicht gar nicht bestehen, wäre der pfändbare Teil natürlich noch höher). Nun ist es so: Ihre Frage ist trotzdem sehr gut, denn sie wirft ein wesentliches Verständnisproblem auf. Es ist mir völlig klar, dass das auf dem ersten Blick wie ein Widerspruch aussieht. Aber Sie sehen ja selbst, wie wichtig die Reihenfolge ist. Klar ist das Ergebnis für Sie wesentlich besser, wenn die 30% von der zweiten Unterhaltspflicht berechnet würden. Das alles ist ja nicht so einfach, aber schlussendlich immer logisch erklärbar. Ich habe gar nichts dagegen, wenn Sie weitere Nachfragen haben. Aber: Die Excel-Datei können Sie bedenkenlos verwenden, das Ergebnis ist richtig.

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