Insolvenzverkürzung – Auch für bereits laufende Insolvenzverfahren?

Zur Frage der Rückwirkung der geplanten Verkürzung der Wohlverhaltensphase

UPDATE: Lesen Sie zum aktuellen Stand bitte in unserem neueren Beitrag vom 13.06.2012

Ausweg eingefroren?[März/April 2011] Über die Pläne, die Verfahrensdauer für Insolvenzen von bislang sechs auf drei Jahre zu verkürzen, haben wir schon mehrfach berichtet [1 Update: Artikel v. 01.05.2011 | 2 Artikel v. 26.02.2011 | 3 Artikel v. 26.06.2010]. Leider ist die Phase der ankündigenden Verlautbarungen seitens des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) noch nicht überschritten und alles, was bisher dazu öffentlich gemacht wurde, geht derzeit nur wenig über die bereits im Koalitionsvertrag verankerte Verkürzungsankündigung hinaus. Es ist daher einzusehen, dass konkrete Folgefragen noch nicht hinreichend sicher beantwortet werden können. Eine dieser Fragen ist, ob bei Einführung der Verkürzung auch Schuldner hiervon profitieren können, die sich zur Zeit der Ingeltungsetzung dieser Regelung bereits in der Wohlverhaltensphase befinden.

Grundsätzlich keine Wirkung für bereits eröffnete Verfahren

Allerdings nahm jüngst ein Petitionsauschuss des Deutschen Bundestages (BT) in Beantwortung der Petition Pet-ID 8167 (PDF) zu dieser Frage Stellung (Beratung und Beschluss des BT über die Petition am 16.12.10; notierter Abschluss am 17.01.11).

Diese Petition begehrte eine Herabsetzung der Dauer der Wohlverhaltenshase auf 24 Monate und forderte u.a. auch dazu auf, die Verkürzung auf bestehende Insolvenzverfahren anzuwenden. In der Antwort hierauf – die sich ausdrücklich auf eine hierzu vom BMJ eingeholte aktuelle Stellungnahme (vgl. S. 2) beruft – äußert sich der Ausschuss wie folgt (Hervorhebung durch uns):

Soweit vorgetragen wird, dass sich eine etwaige Neuregelung der Dauer der Wohlverhaltensperiode auch auf Personen beziehen soll, bei denen diese Phase bereits begonnen hat, ist anzumerken, dass Gesetzesänderungen grundsätzlich nur mit Wirkung für die Zukunft erlassen werden sollen, weil die rückwirkende Verschlechterung einer erworbenen Rechtsposition gegen das in Artikel 20 Grundgesetz (GG) verankerte Rechtsstaatsprinzip verstoßen kann. Durch eine solche Rückwirkung würde hier u. U. in unzulässiger Weise in die Rechte der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am Verfahren unmittelbar beteiligten Gläubiger eingegriffen werden. Auch könnten sich Probleme im Hinblick auf die im Vertrauen auf die bisherige Rechtslage zustande gekommenen Schuldenbereinigungspläne ergeben. Eine Gesetzesänderung, die alle Altfälle, d. h. alle bereits begonnenen Restschuldbefreiungsverfahren, erfasst, erscheint insoweit aus verfassungsrechtlichen Gründen bedenklich.

 

Der Obersatz dieser Begründung ist freilich missverständlich, um nicht zu sagen zirkulär. Gemeint ist zunächst offenbar, dass Gesetzesänderungen grundsätzlich keine Rückwirkung entfalten (sollen), wenn diese Rückwirkung zu einer rückwirkenden Verschlechterung einer erworbenen Rechtsposition führen würde. Das Bestehen dieser Sachlage unterstellt der Ausschuss mit Blick auf die Gläubigerrechte indes ohne weitere Erläuterung für laufende Verfahren als Regelfall.

Im Übrigen aber lässt sich dieser Äußerung zumindest entnehmen, dass grundsätzlich keine Rückwirkung stattfinden soll. Zwar weist die Wortwahl im ersten Satz (“grundsätzlich”) sowie im letzten Satz (“alle Altfälle” = jedenfalls nicht für alle Altfälle) darauf hin, dass dezidierte Ausnahmefälle zumindest nicht ausgeschlossen werden. Allerdings sollte man nicht zu viel erwarten; bisher neigte die Gesetzgebung im Insolvenzrecht eher zu restriktiven Regelungen, was die Rückwirkungen betrifft.

Die Erfahrung spricht also für ein klares “Nein”. Viel mehr als “Kaffeesatzleserei” ist bezüglich dieser Frage zum jetzigen Zeitpunkt zwar nicht möglich. Die Verlautbarungen des Petitionsauschusses geben aber gar keinen greifbaren Ansatz dafür (außer man will ihn aus den sprachlichen und logischen Ungenauigkeiten des Antwortpapiers herleiten), dass eine Ausnahme von der bisherigen Regel (= keine rückwirkenden Vorteile für  Schuldner) ins Auge gefasst wird.

(unausgesprochen)
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