Unwissenheit schützt nicht vor der Versagung der Restschuldbefreiung - § 295 InsO
Der Mensch hinter der Obliegenheit
Einführung
[11. September 2011] Es gibt Probleme während des Insolvenzverfahrens, die vorhersehbar sind. Andere sind es nicht. Vorhersehbar ist grundsätzlich nur, was sich auf Sachverhalte vor der Insolvenz bezieht. Man findet derartiges in § 290 Insolvenzordnung (InsO). Hierzu zählt der in der Praxis sehr relevante Fall der Insolvenzstraftaten (§ 290 Abs. 1 Ziff. 1) oder aber auch die fehlerhafte Angabe im Insolvenzantrag (§ 290 Abs. 1 Ziff. 6). Diese in § 290 InsO benannten Fälle können dazu führen, dass die Restschuldbefreiung versagt wird, wenn dies von einem Gläubiger im Schlusstermin geltend gemacht wird. Der Schlusstermin markiert den Übergang vom Insolvenzverfahren (im engeren Sinne) zur Wohlverhaltensphase (siehe Grafik unten). Dieser Zeitpunkt wird in der Regel spätestens ein Jahr nach Insolvenzantragstellung erreicht.
Achtung: Der Begriff der Wohlverhaltenspase ist nicht gesetzlich definiert. Sinnvoll verwenden lässt er sich jedoch nur, wenn man damit den Zeitraum ab Aufhebung der Insolvenz bezeichnet. Oftmals wird der Begriff aber auf die gesamte Zeit der Abtretungsfrist, also auf den gesamten Zeitraum zwischen Eröffnung der Insolvenz und der Restschuldbefreiung bezogen, weshalb dann häufig gesagt wird, die Wohlverhaltensphase dauere 6 Jahre. Diese Definition ist unsinnig, da sie dann lediglich den Begriff der Abtretungsdauer ersetzt. Dass man umgangssprachlich sein „Wohlverhalten“ ab Eröffnung des Verfahrens zeigen muss, ist eine Binsenweisheit, die keinen eignen Begriff benötigt. Wir verwenden daher den Begriff auf die einzig sinnvolle Art, nämlich zur Bezeichnung des Zeitraums zwischen der Aufhebung der Insolvenz und der Restschuldbefreiung.
Die Zeitbestimmung des Beginns der Wohlverhaltensphase hat zwar inzwischen weitgehend an Relevanz verloren, seit die Gesamtdauer des Verfahrens auf sechs Jahre ab Eröffnung des Verfahrens begrenzt wurde (Achtung, dies gilt nach Rechtsprechung des BGH auch weiterhin dann nicht, wenn das Insolvenzverfahren vor dem 01.12.2001 eröffnet wurde, siehe dazu BGH, Beschl. v. 30.09.10). Für die Bestimmung der Pflichten/ Obliegenheiten ist diese Abgrenzung allerdings nach wie vor für den Schuldner sehr wichtig: Von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Wohlverhaltensphase gilt § 290, ab Beginn der Wohlverhaltensphase § 295 InsO.
Konsequenz: Innerhalb der Wohlverhaltensphase spielen die Ausschlussgründe des § 290 InsO keine Rolle mehr; lag ein solcher Grund vor und wurde dennoch zum Schlusstermin durch keinen Gläubiger die Versagung beantragt, steht dem Schuldner die Restschuldbefreiung trotz § 290 InsO offen. Mit Beginn der Wohlverhaltensphase gilt nur noch § 295 InsO.
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