Aus der Praxis: Wenn die Schuldnerberatung nichts taugt

Ein persönliches Wort aus aktuellem Anlass: Warum Schuldner sich informieren sollten

[11. Juli 2011] In einer Schuldnerberatung erlebt man sehr viele Schicksale. Oft geht es um den Auslöser einer Überschuldung wie Arbeitslosigkeit, Krankheit oder aber auch ein gescheitertes Geschäft. Eine Schuldnerberatung muss immer mehr leisten, als bloße Rechtshilfe. Sie muss auch begründeten Mut zum Neuanfang vermitteln. Denn wenn sie gut ist, dann ebnet sie den sicheren Weg dorthin. Ein immer häufigeres Problem liegt aber gar nicht bei den Gründen der Überschuldung, sondern dem, was durch unzureichende Hilfe daraus geworden ist. Ein Beispiel ist dafür der folgende – keineswegs seltene – Fall. Vergangene Woche wandte sich eine Schuldnerin an uns, die vor etwa 8 Monaten eine Rechtsanwaltskanzlei im Internet mit der Regulierung ihrer Schulden mandatiert hatte. Diese Kanzlei praktiziert ihre Schuldnerberatung ausschließlich über das Netz und ist auf diese Weise bundesweit tätig. Die Schuldnerin, die in der Stadt H. (Sachsen) wohnt, hatte diese Kanzlei mit Sitz an der Küste mit der Regulierung ihrer Schulden beauftragt.

Das ist nicht unseriös.

Aber auch nicht unbedingt sinnvoll. Der Fall zeigte dies leider wieder sehr deutlich.

Eine Schuldnerberatung ist keine typische Dienstleistung. Es ist eine ergebnisorientierte Problemlösung, bei der der betroffene Mandant im Mittelpunkt steht, nicht die beratende Stelle oder deren Interessen. Eine gute Schuldnerberatung geht über eine bloße Rechtsberatung weit hinaus

Was ist geschehen?

Die Schuldnerin hatte mit der Kanzlei „von der Küste“ von Anfang an ausschließlich über das Internet Kontakt. Sie mandatierte die Kanzlei per Internet und sandte die verlangten Unterlagen per Post an die Küste, ohne persönlich irgend jemanden von dort jemals gesprochen oder ein nur annähernd hinreichendes Beratungsgespräch erhalten zu haben. Die Vorgänge erschlossen sich ihr nicht, sie vertraute blind darauf, dass alles seinen Gang gehen würde. Auf unsere Nachfrage wusste sie noch nicht einmal, in welchem Verfahrensstadium sie sich befindet.

Das stellte sich als fatal heraus. Zwar hatte die mandatierte Kanzlei über einen Schuldbetrag von insg. 4.500 Euro ein Schuldenbereinigungsverfahren durchgeführt.  Nachdem der Schuldenbereinigungsplan aber durch  4 Gläubiger (von insg. 20 Gläubigern) nicht angenommen wurde, erhielt die Schuldnerin lediglich einen Antragsvordruck zur Stellung des Insolvenzantrages sowie die Mitteilung, dass die Arbeit der Kanzlei beendet sei. Für die Fertigung des Insolvenzantrages verlangte die Kanzlei, die bereits einen Beratungsschein vom Amtsgericht der Schuldnerin erhalten hatte, nochmals über 500 Euro. Da die Schuldnerin weder in der Lage war, diesen Betrag zu zahlen, noch den Antrag selbst zu fertigen (was bei 20 Gläubigern und ohne Kenntnis der gerichtlichen Anforderungen auch kaum möglich ist), wandte sie sich mit der Bitte um Hilfe an uns.

Nachdem wir den Vorgang geprüft hatten, stellte sich heraus, dass Versuche, die fehlenden vier Gläubiger zur Annahme des Planes zu bewegen, von der beauftragten Kanzlei gar nicht erst unternommen wurden. Auch war die Schuldnerin nicht darauf hingewiesen worden, dass in ihrem Falle eine Ersetzung der fehlenden Zustimmungen möglich ist, da die Mehrheit der Gläubiger (sog. Kopf- und Summenmehrheit) den Plan angenommen hatte. Zu allem Übel waren die Unterlagen, mit denen die Schuldnerin ihren Insolvenzantrag nun selbst fertigen sollte, so unvollständig, dass selbst wir mehrere Stunden benötigten, um die erforderlichen Daten zu rekonstruieren.

Wo liegt der Grundfehler?

Daran sieht man: Der Schuldner sollte sich vor Beginn des Verfahrens hinreichend informieren und eine bewusste und durchdachte Wahl der Beratungsstelle treffen. Tut er dies nicht, ist er doppelt in Gefahr: Im schlimmsten Falle gerät er an eine unseriöse Beratungsstelle (die viel Geld kostet und selten etwas bringt) oder aber an eine Stelle, die zwar „seriös“ ist (also Rechtsberatung leisten darf), aber nicht besonders gut arbeitet. Auch im vorliegenden Fall ist einiges falsch gelaufen:

  • Eine persönliche Beratung gab es gar nicht. Die Kanzlei von der Küste (die kein Einzelfall ist) konferierte mit der Schuldnerin ausschließlich über das Internet. Die Schuldnerin vertraute einfach darauf, es werde schon alles funktionieren.
  • Die Schuldnerin wurde viel zu spät darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Tätigkeit hier nur bis zum Abschluss des Schuldenbereinigungsverfahrens dauern sollte und dass die von ihr beauftragte Kanzlei später zusätzliche Gebühren in nicht unerheblicher Höhe für weitere (notwendige) Tätigkeiten fordern würde. Das ist zwar nicht rechtswidrig, aber im Bereich der Schuldnerberatung unüblich. Die Schuldnerin hatte leider vorher auch nicht danach gefragt.

Was sollte beachtet werden?

  • Betroffene sollten sich vorher darüber informieren, welcher Umfang an Hilfe erwartet werden darf. Das ist mehr, als zumindest die meisten der überregional tätigen Anbieter leisten können oder wollen. Diese Anbieter leben von der Masse, also davon, möglichst viele Schuldner in möglichst kurzer Zeit abzufertigen. Die besondere Qualität, die eine Anwaltskanzlei bei entsprechender Ausrichtung leisten kann, wird dadurch natürlich nicht erreicht. Nicht alle uneffektiven Verfahren werden also von großen Wohlfahrtsverbänden geführt.
  • Es sollte eine Kanzlei/ Beratungsstelle gesucht werden, die in der Region des betroffenen Schuldners ihren Sitz hat (sie sollte in jedem Falle im selben Bundesland liegen), zu meiden sind bundesweit tätige Anbieter aus dem Internet, die nur „Fließbandarbeit“ ohne Berücksichtigung der besonderen Probleme und Bedürfnisse des Mandanten leisten und regelmäßig auch erheblich teurer sind als eine gute Beratungsstelle vor Ort.
  • Betroffene sollten eine Mandatierung vom Eindruck bzw. dem Ergebnis eines direkten Beratungsgespräches abhängig machen, bei dem sie sich nicht nur über die Beratungsqualität sondern auch über die Person des Beraters ein Bild machen können. Sie sollten auch bereit sein, im Zweifel noch eine andere Beratungsstelle aufzusuchen. Bei Rechtsanwaltskanzleien gilt: Ein Termin ist häufig binnen weniger Tage möglich. Zu achten ist darauf, dass diese Beratungen kostenfrei und unverbindlich sein sollten. Betroffene sollten erfragen, ob sie während des gesamten Verfahrens einen persönlichen Ansprechpartner in der Kanzlei haben; dies sollte ein Jurist mit spezieller Ausrichtung auf diesen Rechtsbereich sein und es sollte sich dabei um die Person handeln, die der Betroffene durch die Gespräche in der Kanzlei bereits kennen gelernt hat. Er sollte immer erreichbar sein, notfalls auch am Wochenende.
  • Eine Entscheidung sollte nie während oder sofort nach einer Beratung getroffen werden. Nur dadurch ist gewährleistet, dass die Beratung unabhängig davon geleistet wird, ob der Betroffene die betreffende Beratungsstelle später mandatiert oder nicht. Und der Betroffene erhält so die Möglichkeit, eine eigene Entscheidung zu treffen, die Aussagen des Beraters ggf. zu prüfen oder eine weitere Beratungsstelle in Anspruch zu nehmen
  • Bei Rechtsanwaltskanzleien: Erfragt werden sollte unbedingt der Umfang der Tätigkeit und die Kosten für das Verfahren, um sicherzustellen, dass später keine zusätzlichen Kosten für die Betreuung (z.B.  im Insolvenzverfahren oder bei  Stellung eines Insolvenzantrages) entstehen. Sollte ein Beratungsschein vorliegen, sollte dieser in aller Regel die Kosten für die gesamte Tätigkeit der Kanzlei abdecken. Verlangt werden darf sehr wohl eine umfassende Hilfe.  Dazu gehört nicht nur die Durchführung eines Schuldenbereinigungsverfahrens und der konsequente Versuch, die Insolvenz zu vermeiden, dazu zählt auch die Insolvenzbeantragung, die Betreuung des Mandanten bei Problemen in der Insolvenz bzw. bis zur endgültigen Entschuldung, ohne dass während dieser Zeit (oftmals ja 6 Jahre) neue Kosten geltend gemacht werden. Nur so ist eine wirklich gute Hilfe und ein Vertrauensverhältnis mit den betroffenen Mandanten über eine lange Zeit möglich.

Natürlich gelten diese Punkte nur, sofern es sich überhaupt um eine seriöse Beratungsstelle handelt. Unseriöse Stellen, die selber gar keine Rechtsberatung leisten dürfen, gibt es zu Hauf. In Betracht sollten daher nur gezogen werden: Rechtsanwaltskanzleien (vorrangig solche, die über ein spezielles Schuldnerberatungsressort verfügen) oder Stellen, die die staatlich erteilte Zulassung zur Schuldnerberatung haben (das sind in der Regel nur die großen Wohlfahrtsverbände wie AWO, Caritas usw.)  –  Von allem anderen (z.B. Ohne-Schulden-Glücklich eV’s oder „Schulden-Coaches“) sollte man konsequent die Finger lassen.

Qualitätssicherung in der SchuldnerberatungEin kleiner Tipp: Unser bereits vor einiger Zeit veröffentlichter „Qualitätskatalog“ zur Wahl der richtigen (seriösen) Beratungsstelle enthält eine Reihe von Hinweisen und Hintergrundinformationen, die auch einen Blick „hinter die Kulissen“ der Schuldnerberatung ermöglichen. Betroffene sollten sich die Zeit nehmen, es wenigstens einmal zu überfliegen. Denn, wer sich nicht informiert, muss leider immer noch damit rechnen, dass er unter Umständen nicht die Beratung und Hilfe erhält, die er benötigt. Die Folgen hat der Betroffene in aller Regel allein zu tragen. Da es nach wie vor sehr viele ungeeignete und unseriöse Anbieter gibt, ist die Wahrscheinlichkeit einer falschen Wahl nach wie vor sehr groß.

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