Der Einkommensschutz gemäß § 850c ZPO sieht vor, was vom monatlichen Einkommen als unpfändbar zu belassen ist. Es reicht hier in der Regel ein Blick in die Pfändungstabelle, um entscheiden zu können, was von einem bestimmten Einkommen als unpfändbar anzusehen ist. Das ist also technisch gesehen relativ leicht erklärt. Was ist nun aber mit Einkommenszahlungen, die nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Monat stehen, für den sie bestimmt sind?
Es kommt ja häufiger vor, dass Einkommen im Folgemonat für den Vormonat gezahlt wird. Das ist in der Praxis pfändungsrechtlich überhaupt gar kein Problem. Aber wie sieht es aus, wenn beispielsweise ein Arbeitgeber nach 10 Monaten feststellt, dass er seinem Arbeitnehmer monatlich 200 € zu wenig gezahlt hat und dies nunmehr im 11. Monat in einer Summe nachzahlt? Dann kommen mit einem Schlag 2.000 € zusätzlich auf dem Konto des Arbeitnehmers an. Ist das dann pfändungsgeschützt?
1. Pfändung bei Einkommensnachzahlungen
Im Pfändungsrecht gilt die Regel, dass die Pfändbarkeit des monatlichen Einkommens danach bestimmt wird, für welchen Zeitraum (insb. für welchen Monat) die Einkommenszahlung erfolgt. Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung selbst. Denn in § 850c Abs. 1 ZPO spricht bei der Bestimmung des pfändbaren Einkommens ausdrücklich vom
„Zeitraum, für den es gezahlt wird“.
Das aber bedeutet, dass die Pfändbarkeit eben nicht davon abhängt, wann das Einkommen gezahlt wird (oder in welchen Margen), sondern für welchen Monat.[1]
Nachzahlungen führen so letztlich zu einer Zuordnung der nachgezahlten Summe zu einem bestimmten Nachzahlungsmonat, für den sich dadurch nachträglich eine andere Einkommenshöhe ergibt. Das bedeutet auch, dass bei einer bestehenden Pfändung die Pfändungsbeträge für den betreffenden Monat noch nachträglich bestimmt bzw. korrigiert werden müssen.[2]
Man erkennt also, dass die Pfändungshöhe nicht unmittelbar von der Höhe der nachgezahlten Gesamtsumme abhängt. In unserem Beispiel waren es 2.000 €, die für 10 Monate nachgezahlt wurden, es könnten genauso gut 5.000 € oder 10.000 € sein, es kann eine Nachzahlung für einen Monat oder für 7 Monate oder 2 Jahre sein. Darauf kommt es nicht an, sondern allein darauf, ob die auf den einzelnen Nachzahlungsmonat entfallenden Beträge zu einer Pfändbarkeit in diesem (von der Nachzahlung betroffenen) Monat führen. Deshalb kann auch ein außerordentlich hoher Nachzahlungsbetrag vollständig unpfändbar sein. Desto länger die Nachzahlungszeiträume sind, desto mehr können sich monatliche Nachzahlungen zu einem durchaus großen (und dennoch völlig unpfändbaren) Gesamtnachzahlungsbetrag summieren.
2. Nachzahlung auf P-Konto
Das ist allerdings zunächst erst einmal nur die Antwort auf die Frage, wie Nachzahlungen pfändungstechnisch unter Zugrundelegung von § 850c ZPO zu behandeln sind. Was bedeutet das aber für das Konto?Man kann auch hier einen generellen Satz aufstellen: Alle Freigaben des Einkommenschutzes gelten auch für Einkommen auf dem Konto (also für den Kontoschutz). Allerdings geschieht das nicht automatisch, sondern setzt (soweit der einfache P-Konto-Schutz nicht reicht) einen Antrag beim Vollstreckungsgericht[3] voraus.
Das P-Konto schützt für sich genommen erst einmal nur die statischen Freibeträge aus § 850 Abs. 1 ZPO. Das hat allein technische Gründe; man will (bzw. kann) den Banken nicht zumuten, im Rahmen der P-Konten die sehr schwierigen Pfändungsfreigabeprobleme, die sich aus der besonderen Behandlung von Einkommen ergeben, selbst lösen zu müssen. Allerdings ist unstrittig, dass auch auf dem Konto der volle Freibetrag zu gewähren ist, der sich aus der Regelung des § 850c ZPO, § 850a ZPO usw. ergibt.Dies geschieht dann aber nicht durch die Bank, sondern durch das Gericht aufgrund eines Antrags gemäß § 850k Abs. 4 ZPO.[4]
Genauso ist es auch bei den Nachzahlungen: Soweit die Nachzahlung nicht mehr vom Schutz des P-Kontos umfasst ist, kann man einen Antrag auf Freigabe dieser Beträge stellen. Die Begründung ist auch hier, dass diese Beträge unpfändbar sind.
Man muss sich also darüber klar sein, dass man zur Geltendmachung dieser unpfändbaren Beträge, soweit sie den statischen Grundfreibetrag des P-Konto übersteigen, noch etwas tun muss.
3. BGH-Entscheidung v. 24.01.2018 (VII ZB 21/17)

In dem entschiedenen Fall ging es um eine Nachzahlung (im Jahr 2014) von ALG 2 in Höhe von über 5.000 €. Nachdem diese Nachzahlung einging, beantragte die Schuldnerin gemäß § 850k Abs. 4 ZPO die Freigabe dieser Nachzahlung auf dem Konto. Das Gericht gewährte dies, allerdings legte der Gläubiger hiergegen Beschwerde ein.
Das Beschwerdegericht bestätigte die Freigabe des Vollstreckungsgerichts, da die Nachzahlung den Monaten zuzurechnen sei, für die sie erfolgt seien. Da sich daraus keine pfändbaren Beträge für die einzelnen Monate ergaben, sei auch die Gesamtnachzahlung als unpfändbar einzustufen.
Gegen diese Entscheidung legte der Gläubiger Rechtsbeschwerde ein, weshalb hierüber schlussendlich der BGH entschied, der allerdings – recht unspektakulär – die Entscheidung des Beschwerdegerichts bestätigte.
Der BGH hat mit dieser Entscheidung deutlich gemacht, dass ALG-2-Nachzahlungen in keiner Weise anders behandelt werden, als sonstiges nachgezahltes Einkommen.
Auch der Vortrag des Gläubigers, dass das Eigentumsrecht im Falle von Nachzahlungen überwiege, sodass sich aus Nachzahlungen abweichend von den sonstigen gesetzlichen Regelungen ein Pfändungsanspruch ergeben könne, wies das Gericht konsequenterweise ab. Derartige Einwände sind regelmäßig zirkulär, da die Abwägung bereits durch die Norm getroffen wurde, die die Unpfändbarkeit regelt.
Insgesamt erschöpft sich die Bedeutung dieser Entscheidung daher lediglich in der Klarstellung, dass ALG-2-Nachzahlungen wie reguläre Einkommensnachzahlungen beurteilt werden müssen. Damit folgt der BGH konsequent der bisherigen Beurteilung, dass ALG 2 als ganz „normales“ Einkommen im Sinne des § 850 ZPO zu behandeln ist.
Allerdings ist diese Entscheidung nur noch für (Nach-)Zahlungen relevant, die den Zeitraum bis 2016 betreffen. Denn danach wurde die Unpfändbarkeit von ALG-2-Leistungen gesetzlich normiert. Das bedeutet für eine Antragstellung auf Freigabe gemäß § 850k Abs. 4 ZPO, dass nur noch geprüft werden muss, ob es sich bei den Nachzahlungen um ALG-2-Leistungen handelt. Ist das der Fall, muss die Freigabe ohne weitere Prüfung erfolgen. Eine Rückrechnung auf einzelne Monate bedarf es nicht mehr, da diese Leistungen wegen § 42 Abs. 4 SGB II (anders als bei „normalem“ Einkommen) unabhängig von der Höhe unpfändbar sind. Es kann sich deshalb durch die Rückrechnung auf die Nachzahlungsmonate von vornherein kein pfändbarer Betrag ergeben.
Hallo,
habe ein P-Konto und einen erhöten Freibetrag von c.a. 2800,- Euro (alleinerziehend und zwei Kinder). Mache eine Berufpraltikum im 50 % Modus und habe jetzt 2500,- Euro Wohngeld Nachzahlung erhalten. Im Online Banking wird angezeigt, dass am Ende des Monats 0 Euro nicht mehr pfändungsfrei sind. Ich möchte gar nicht auf alles sofort zugreifen können, aber da ich ja auch etwas Lohn, Kindergeld und kinderzuschlag bezioehe, ist momentan noch mehr auf meinem Konto. Wird das übriggebliebene Geld dann gepfändet und mit in den nächsten Monat übertragen? „oder mit den nächsten Monat übertragen?“
Vielen Dank schon einmal im Vorraus.
Beste Grüße
ANTWORT: das Problem bei Ihrer Frage ist, dass es zwei unterschiedliche überlagernde Probleme enthält. Die eine Frage (das ist vordergründig das, was hier im Artikel beantwortet wird) ist, ob und wie weit Nachzahlungen (un-)pfändbar sind. Wenn sich aus dieser Prüfung ergibt, dass die Nachzahlung unpfändbar ist (das wird man bei Wohngeld annehmen können), dann bedeutet das aber noch nicht, dass diese Beträge auf dem Konto schon freigestellt sind. Daraus ergibt sich die zweite Fragestellung, bei der es darum geht, den richtigen Weg zu finden, um die Unpfändbarkeit des Eingangs in einen Zugriff auf das Kontoguthaben zu verwandeln. Der automatisierte P-Konto-Schutz gewährt von sich aus nicht alle unpfändbaren Eingänge, sondern nur die Grundfreibeträge bzw. bestimmte Eingänge, die mit einer Bescheinigung (z.B.) einer Schuldnerberatungsstelle freistellbar sind. Für alle übrigen unpfändbaren Eingänge (dazu gehört auch das Wohngeld), muss man die Freistellung erst über eine Antragstellung bewirken. Man darf sich nicht davon täuschen lassen, wenn Anfang des Folgemonats wieder Zugriff auf die fraglichen Beträge (oder ein Teil davon) möglich ist. Es handelt sich dabei um den Moratoriumseffekt, da diese Beträge als Einkommen des Folgemonats verrechnet werden. Insofern besteht die Gefahr, dass man das Geld (wenn entsprechende Anträge nicht gestellt werden) auch späterhin nicht erhalten wird. Ich kann das an dieser Stelle leider nicht besser darlegen, dafür haben wir aber einen entsprechenden Artikel: https://www.schuldnerhilfe-direkt.de/p-konto-fragen-und-antworten-aus-der-praxis/ (dort insb. unter Punkt 16). Eine genauere Antwort würde ohnehin Kenntnisse darüber voraussetzen, wie weit Ihr Freibetrag überschritten wurde, wie die Eingänge der Folgemonate sind, wie die Differenz im Eingangsmonat war usw. Aber wenn Sie sich mit der Frage des Moratoriumsbetrags einmal beschäftigen, werden Sie das Prinzip verstehen und vielleicht erkennen können, ob ein Antrag erforderlich ist.